Filmkritik zu „Einsam Zweisam“ Cédric Klapisch inszeniert ungleiches Paar in Paris

Der Film „Einsam Zweisam“ von Cédric Klapisch zeigt ein ungleiches Paar in der Metropole Paris: Eine ganz unsentimentale Liebeserklärung an die Stadt und die Menschen, die sich dort zurechtzufinden versuchen.

 Frau sucht Mann: Ana Girardot als Melanie im Film „Einsam Zweisam“.

Frau sucht Mann: Ana Girardot als Melanie im Film „Einsam Zweisam“.

Foto: dpa/Emmanuelle Jacobson

Paris, die „Stadt der Liebe“ – das ist ein Mythos, der von der Tourismusbranche sorgfältig gepflegt wird und in den Köpfen der Global Community fest verankert ist. Aber natürlich entsprechen diese romantischen Projektionen nicht der städtischen Realität. Wie in Berlin, London oder Stockholm sind auch in der französischen Metropole über die Hälfte der Wohnungen mit Single-Haushalten belegt und die großstädtische Anonymität befördert auch hier zunehmend urbane Einsamkeitsphänomene hervor.

In „Einsam Zweisam“ begleitet Cédric Klapisch nun zwei alleinstehende junge Menschen durch den Pariser Alltag. Mit „Barcelona für ein Jahr“ hatte sich der Regisseur vor siebzehn Jahren dem fröhlichen Lotterleben in einer Studenten-WG gewidmet, und sein neuer Film wirkt dazu wie das passgenaue Gegenstück. Gleichzeitig knüpft Klapisch mit der Rückkehr in die Heimatstadt Paris an sein frühes Werk „...und jeder sucht sein Kätzchen“ (1996) an, in dem er die sich verändernden Lebensbedingungen in Zeiten der Gentrifizierung untersuchte. Die beiden Hauptfiguren Mélanie (Ana Girardot) und Rémy (François Civil) in „Einsam Zweisam“ sind Anfang 30 – ein Alter, in dem das Partyleben an Attraktivität verliert, die beruflichen Anforderungen steigen und die amouröse Unbekümmertheit einer gewissen Vorsicht gewichen ist.

Seit einem Jahr trauert Mélanie ihrer verflossenen Liebe hinterher, in der sie aufgegangen ist und sich selbst verloren hat. Sie schläft viel zu lang, kämpft sich morgens aus dem Bett und dass sie demnächst ihre Forschungsergebnisse dem Vorstand des Pharmaunternehmens präsentieren soll, stürzt sie in tiefe Versagensängste. Rémy arbeitet im riesigen Lager eines Versandhandels, in dem demnächst Roboter durch die Regalgänge fahren werden. „Beschreiben Sie sich in einem Wort“, fordert ihn der Personalchef im Sondierungsgespräch auf. Rémy kann angesichts solcher Definitionszwänge nur mit den Schultern zucken.

Dennoch bekommt er, während seine Kollegen gekündigt werden,  eine „Beförderung“ ins Call-Center, wofür ihm eindeutig die kommunikativen Führungskompetenzen fehlen. Auf die berufliche Veränderung reagiert der junge Mann mit Schlaflosigkeit. Die Medikamente aus der Apotheke helfen wenig und als er mit einer Panikattacke in der Metro zusammenbricht, rät ihm der Arzt, „jemanden“ aufzusuchen.

Und so begibt sich Rémy genauso wie  Mélanie in psychotherapeutische Behandlung, wo die beiden ganz allmählich in die tiefer liegenden Ursachen ihrer Vereinsamung vordringen.  Klapisch inszeniert sein Doppelporträt als stetige Pa­rallelmontage, die sich mit ihren Figuren mal hektisch, mal gelassen durch den großstädtischen Dschungel arbeitet.

Mélanie und Rémy leben beide im 18. Arrondissement mit Blick auf die Bahngleise, auf denen die Züge vom Gare du Nord ein- und ausfahren. Wand an Wand wohnen sie in zwei verschiedenen Häusern. Der schmucke Pariser Altbau und das leicht heruntergekommene Nachkriegsgebäude belegen das Nebeneinander von ärmlichen und wohlhabenderen Bewohnern im  multikulturell durchmischten Viertel.

Der Lebensmittelhändler hält hier für seine Kunden von jedem Artikel zwei Sorten bereit: Die billigen Oliven, die sich alle leisten können, und die guten Oliven für die Mehrverdiener - und er weiß genau, wer zu welcher Kategorie gehört. Hier oder auf dem Weg zur Metro laufen Mélanie und Rémy tagtäglich aneinander vorbei, ohne sich gegenseitig wahrzunehmen. In einem entspannten, fluiden Erzählfluss verbindet der Film die zwei Unbekannten miteinander, macht sie für das Publikum zum Paar, lange bevor sie sich tatsächlich kennenlernen. Mit ihrer Einsamkeit gehen Frau und Mann auf sehr unterschiedliche Weise um. Mélanie schaukelt sich von einem „Tinder“-Date zum nächsten. Rémy hingegen verkriecht sich in seine Schüchternheit und schafft sich eine kleine Katze als Seelentröster an, auf die artbedingt wenig Verlass ist.

Mit seiner hervorragenden Kamerafrau Élodie Tahtane findet Klapisch einen dynamischen, visuellen Stil, in dem sich urbaner Realismus und poetische Stilisierungen bruchlos vermischen – hin zu einer ganz unsentimentalen Liebeserklärung an die Stadt und die Menschen, die sich in ihr und ihrem Leben zurechtzufinden versuchen.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort