Tierfilmer Andreas Kieling im GA-Interview Ganz nah dran

Der mehrfach ausgezeichnete Tierfilmer Andreas Kieling zeigt in der ZDF-Reihe„Terra X“ eine Reportage über sein „wildes Afrika“ - und kommt darin den tierischen Protagonisten erneut extrem nah.

 Andreas Kieling bei Dreharbeiten in Afrika.

Andreas Kieling bei Dreharbeiten in Afrika.

Foto: ZDF und Andreas Kieling

Herr Kieling, sind Sie für die neue Dokumentation einmal quer durch Afrika gereist?

Andreas Kieling: Nein, es war keine durchgehende Reise, das wäre viel zu strapaziös gewesen. Nach vier Wochen Dreh im Bergregenwald bei den Schimpansen war ich körperlich am Ende.

Was war so anstrengend?

Kieling: Die ganze Zeit läuft man bei 28 Grad und 99 Prozent Luftfeuchtigkeit in einer bergigen Gegend unseren Cousins hinterher in der Hoffnung auf gute Bilder. Stativ und Kamera immer auf dem Buckel. Schimpansen sind nicht so einfach zu filmen wie Orang-Utans oder Berggorillas.

Wie konnten Sie den Schimpansen so nahe kommen, ohne sie zu erschrecken?

Kieling: Wenn die Tiere wissen, dass sie von uns Menschen weder gejagt noch vertrieben werden, entwickeln sie eine relativ große Vertrautheit. Das ist auch bei den Schimpansen im Mahale-Nationalpark in Tansania der Fall. Dort leben etwa 1500 dieser Tiere. Einzelne Gruppen sind vor 50 Jahren von japanischen Primatologen das erste Mal habitu-iert worden. Deshalb kennen sie uns Menschen gegenüber so gut wie keine Scheu.

Und als was sieht der Löwe den Menschen?

Kieling: Eigentlich als Neutrum. In der Wahrnehmung des Löwen sind wir ein anderer großer Beutegreifer. Also eine Hyäne oder ein Leopard. Wir sind für den Löwen keine Beute. Das heißt nicht, dass es nicht mal zu einem Konflikt kommen könnte – in der Regel ums Vieh, wenn ein Massai einen Speer nach ihnen wirft. Der Löwe jagt zwar in erster Linie Antilopen, vergreift sich aber auch mal an einem Haustier.

Wann ist für Sie die Grenze der Gefahr erreicht?

Kieling: Wenn ich Freitagnachmittags mit einem Motorrad auf einer bundesdeutschen Autobahn unterwegs bin.

Und als Tierfilmer?

Kieling: Es gibt einen magischen Zirkel, wo man sagt: Jetzt ist das Maß voll! Letztendlich lasse ich immer das Tier entscheiden, wie weit es sich mir nähern will. Nicht jedes ist mir gewogen. Es gibt aber nur wenige Tiere, die uns Menschen als Bedrohung empfinden und auf uns losgehen.

Welche sind das?

Kieling: Eigentlich nur der Savannenelefant. Diese Spezies lebt im Matriarchat, und die Elefantenkuh schützt ihr Kalb oder ihre Gruppe. Dabei ist es ihr relativ egal, ob es sich um einen Löwen oder einen Tierfilmer handelt. Der Elefant sieht in uns letztendlich auch ein Raubtier. Um Filme mit den großen, selbstbewussten Tieren zu machen, muss man extrem viel über sie wissen und sich in ihre Seele und ihr Verhalten hineinversetzen können.

Und wie machen Sie das?

Kieling: Ich versuche immer zu erkennen, was das Tier in mir sieht. In den seltensten Fällen bin ich für ein Tier Beute. Das sind meistens nur Verwechslungen in Stresssituationen. Vielleicht bin ich ja eine Gefahr für die Jungen.

Und dann droht ein Angriff?

Kieling: Es gab eine Situation in der Serengeti, als mein Fahrer nur kurz ausgestiegen ist und ein Löwenrudel in der Nähe sofort die Flucht ergriff. Weil das ein Verhalten war, das sie nicht kannten. Es gab also keinen Angriff, sondern genau das Gegenteil.

Wie kommunizieren Sie mit Tieren?

Kieling: Eine ruhige Stimme ist für ein Tier immer eine Möglichkeit, das Gegenüber einzuschätzen. In dem Moment, wo ich mich zu erkennen gebe und ruhig vor mich hin brabbele, merken sie, dass ich entspannt bin. Wenn Schimpansen laut schreien und hektisch sind, weiß man, da stimmt was nicht, und geht der Sache besser aus dem Weg.

Was ist eine angemessene Art der Tierpräsentation im TV?

Kieling: Heute will sich das Gros der Fernsehzuschauer nicht mehr in Zeitlupe daran laben, wie ein Krokodil das Zebra auseinandernimmt. Man möchte etwas über den Lebensraum und das Verhalten der Tiere erfahren. Dass man sich wie ich immer wieder mal mit im Bild zeigt und den Zuschauer anspricht, ist sehr gefragt. Aber sobald dies mit erhobenem Zeigefinger geschieht, schalten die Leute ab, weil sie das schon zu oft gehört haben.

aben Sie in Afrika die Auswirkungen des Klimawandels sehen können?

Kieling: In der Sahelzone sieht man schon, dass sich die Wüsten immer weiter ausdehnen. Und als ich 1999 auf dem Kilimandscharo stand, waren die Gletscher deutlich größer als heute, und es lag viel mehr Schnee. Das geht alles in einem rasanten Tempo in eine andere Richtung.

Welche Tierarten sind in Afrika besonders gefährdet?

Kieling: Besonders gefährdet sind immer die hoch spezialisierten Arten. Zum Beispiel die Geparden. In Bürgerkriegsgebieten sind es Berggorillas oder Östliche Flachlandgorillas, von denen es nur noch wenige Exemplare gibt. Von den Äthiopischen Wölfen existieren weltweit nur noch rund 400 Tiere. Wenn wir nicht aufpassen, haben wir diese Art bald verloren.

Was bedroht diesen Wolf?

Kieling: Die Menschen drängen immer weiter vor ins äthiopische Bergland und bringen ihre Viehherden und Hütehunde mit. Diese Hunde haben zum Teil die Staupe und die Tollwut und übertragen sie auf den Äthiopischen Wolf. Und dann ist es vorbei.

Wie waren Sie in Afrika unterwegs?

Kieling: Es gibt immer einen zweiten Kameramann, der die Aufgabe hat, in bestimmten Situationen mich dabei zu filmen, wie ich die Tiere filme oder der eben meine Statements in die Kamera aufnimmt.

Was können wir von den Tieren lernen?

Kieling: Wir können insgesamt erkennen, dass Tiere uns Menschen gegenüber viel toleranter sind, als wir es immer glauben. Und dass die Tiere uns regelmäßig immer wieder die Hand reichen und sagen: „Wir sind dazu bereit, mit euch zusammenzuleben. Ihr müsst es eben auch sein. Aber ihr müsst unsere Spielregeln auch tolerieren und akzeptieren. Wir können uns nicht nur an eure Regeln halten.“

Weitere Infos gibt es auf zdf.de.

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