Ausstellung im Kunstmuseum Großes Kino im Kopf

Bonn · Sie nahm sich viele Freiheiten: Das Kunstmuseum Bonn entdeckt die 2006 gestorbene Berliner Malerin Susanne Paesler neu.

 Was ist ein Bild? Susanne Paesler malte ihre Muster-Reißverschluss-Kombination im Jahr 1996. Pop Art lässt grüßen.

Was ist ein Bild? Susanne Paesler malte ihre Muster-Reißverschluss-Kombination im Jahr 1996. Pop Art lässt grüßen.

Foto: Franz Fischer

Ein Jackson Pollock mit silbrig-süßlichem Hintergrund, ein weiterer, irgendwie aufgeräumt wirkender Pollock im schnieken Rahmen! Wenn sich Susanne Paesler dem Macho-Maler Pollock künstlerisch näherte, schwang immer etwas Ironie mit, eine kritische Distanz, die einherging mit der Lust an der malerischen Konfrontation.

Paesler war Malerin durch und durch, eine exzellente Malerin, die aber eben auch das Medium intellektuell zu durchdringen, skeptisch zu hinterfragen wusste, dabei dann eminent künstlerisch vorging. Ein Kind ihrer postmodernen Zeit – die Werke entstanden zwischen 1991 und 2006.

Vor zehn Jahren ist Paesler viel zu früh 43-jährig an Krebs gestorben. Zu früh, um sich im Kunstbetrieb durchzusetzen. Ein großes Talent der deutschen Malerei, wie eine Ausstellung im Kunstmuseum Bonn belegt, das aus dem rund 150 Gemälde umfassenden Oeuvre 40 Werke ausgesucht hat. Kurator Christoph Schreier ist in einigen Institutionen, darunter dem Museum Ludwig in Köln, fündig geworden, dessen ehemaliger Direktor Kasper König ein Fan der Berlinerin Susanne Paesler war; am 11. Mai wird König in der Ausstellung über ihr Werk reden. Viele Arbeiten fanden sich im Nachlass der Künstlerin, den die Berliner Galerie Barbara Weiss betreut.

Die Bonner Schau ist nach einer Ausstellung in der Kunsthalle Kiel die erste große Retrospektive Susanne Paeslers. Stefan Berg, Intendant des Kunstmuseums Bonn, möchte nicht von Wiederentdeckung sprechen, sondern von der „Revision“ eines Werks, das „anschlussfähig an den internationalen Malereidiskurs“ sei.

Für viele Besucher wird Paeslers Kunst eine Entdeckung sein. Die Entdeckung einer ungemein präzise, inspiriert und koloristisch ausgeklügelt malenden Künstlerin, besser: allzeit skeptischen Bildbefragerin. Auch wenn sie gestisch zu malen vorgab, ließ sie sich nicht von ihren Emotionen fortreißen, und im engen Korsett der Muster-Malerei wurde sie nie zum sklavischen Kunstroboter, der nur Strukturen umsetzt, aufs Aluminium bringt. Paesler erlaubte sich allerlei Freiheiten.

Die Annäherung an Pollock verläuft kontrolliert, mit ironischer Distanz, der Zugriff auf Lucio Fontanas einst freche, radikale Schnitte in die Leinwand erfolgt herrlich respektlos: Fontanas Attacke wird malerisch gebremst, zurückgeführt auf exquisite, altmeisterliche Malerei, in der alles nur schöne Illusion ist. Sogar der Rahmen, der Fontanas Werk umgibt. Dass in der Ausstellung neben Pollocks heroischer Dripping-Malerei à la Paesler – einer All-over-Struktur ohne Anfang und Ende, ohne oben, unten und Zentrum – ein kleines Bild mit einer ähnlich gearteten Farb- und Formstruktur hängt, ist pure Ironie: Beim zweiten Bild hat sich Susanne Paesler von den Sitzbezügen der Berliner U-Bahn inspirieren lassen.

Mit Mustern, den Klassikern Burberry und dem auf Socken beliebten Burlington, die sie vom Computer auf die Aluminiumplatte übertrug, begann Paeslers Karriere. Es galt zu analysieren, welche Motive bildwürdig sind, wobei Susanne Paesler auf das vorhandene Motivrepertoire zurückgriff: Muster aller Art bis zum Pril-Blümchen und Gemälde von Pollock oder Baumeister. Die Vorlagen werden subtil verändert, überlagern einander, erscheinen in illusionistisch gemalten Rahmen.

Das kann elegant und koloristisch raffiniert ablaufen oder auch brutal, wenn sich etwa eine Struktur aus schwarzen Horizontal- und Vertikallinien rüde auf eine an Josef Albers erinnernde pastellfarbene geometrische Abstraktion legt.

Der Dialog zwischen Geometrie und Geste beschäftigte Susanne Paesler in ihrem letzten Lebensjahrzehnt. Wunderbare Serien, die „Moonshine Paintings“ und die „Orchideenbilder“ entstanden, die fast vergessen lassen, dass die virtuos vorgetragene Emotion zutiefst kalkuliert war, großes Kino im Kopf.

Berührend Paeslers letztes, sehr geheimnisvolles Bild, bestehend aus zwei Jugendstilornamenten, die sich zu kronleuchterartigen Armen öffnen, auf denen seltsame bunte Kreise, Ellipsen und Tropfenformen sitzen. Ein Hauch 50er-Jahre-Ästhetik durchzieht das Bild, gleichzeitig herrscht der Mut, neue, aufregende Wege mit einer wachsenden Radikalität zu gehen Man hätte zu gerne gewusst, was dieser Künstlerin noch eingefallen wäre.

Kunstmuseum Bonn; bis 5. Juni. Di-So 11-18, Mi bis 21 Uhr. Eröffnung: heute, 20 Uhr. „Im Dialog“ mit Kasper König am 11. Mai, 20 Uhr.

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