Yoko Ono wird 90 Hassfigur und Göttin

Bonn · Für so machen Fan der Beatles ist sie eine unerwünschte Person, für andere eine geniale Konzeptkünstlerin: Yoko Ono, Witwe von John Lennon, wird am Samstag 90 Jahre alt.

Zu Besuch in Bonn: Yoko Ono 1993 auf dem Dach des Frauenmuseums. In den Hof stellte sie damals eine Skulptur.

Zu Besuch in Bonn: Yoko Ono 1993 auf dem Dach des Frauenmuseums. In den Hof stellte sie damals eine Skulptur.

Foto: Franz Fischer

Es gibt immer wieder eingefleischte Beatles-Fans, die Schaum vorm Mund bekommen, wenn sie den Namen Yoko Ono hören. Sie habe John Lennon verhext, habe die Beatles auseinandergebracht, habe sich mit Lennons blutiger Brille auf dem Cover ihrer Platte „Season of Glass“ an dem Idol vergriffen und sei als Trittbrettfahrerin erst durch Lennon und die Beatles bekannt geworden.

Nun, Lennon hat sich 1968 unsterblich in die charismatische Japanerin verliebt, die er 1966 in ihrer Ausstellung in London kennengelernt hatte. Er nannte sie „Göttin der Liebe“ und Muse. 1969 heirateten die beiden, machten ihre Liebe in Platten wie „Wedding Album“ und „Two Virgins“ und den Friedens-Bed-ins in Amsterdam und Toronto zum Thema. Filmaufnahmen zeigen, wie Ono bei Sessions der Beatles interessiert dabeisaß, die Klangcollage „Revolution 9“ von Ono und Lennon fand ihren Weg ins „Weiße Album“ der Beatles.

Was die beiden so unterschiedlichen Künstler, den hochmusikalischen, sensiblen Working Class Hero und die bisweilen schrille intellektuelle Avantgardistin aus der Upper Class, zusammenbrachte, bleibt schließlich ein Rätsel. Verbrieft ist jedoch Folgendes: Dass Ono die vier Lichtgestalten aus Liverpool auseinandergebracht habe, hält Paul McCartney für völligen Unsinn. Das hätten die schon alleine geschafft. Als Lennon am 8. Dezember 1980 vor seinem Wohnhaus am Central Park in New York, dem Dakota Building, erschossen wurde, hielt die Welt den Atem an. Die Trauer war groß, auch bei Ono, die aber nun als berühmteste Künstlerwitwe, für die Unerbittlichen gar als „Schwarze Witwe“ und „Nachlasshai“ galt. Ihre Trauer schrie sie eindrucksvoll auf „Season of Glass“ in die Welt und verarbeitete sie in mehreren Stücken. Dieses Album mit Onos Foto von Johns blutiger Brille und einem Blick über den Central Park zu illustrieren, lag auf der Hand.

Der Friedensmission treu geblieben

Ono, die am Samstag 90 wird, lebt noch immer in der gemeinsamen Wohnung im Dakota Building. Und der gemeinsamen Friedensmission mit Lennon ist sie bis heute treu geblieben. Als der Sohn eines Liverpooler Matrosen 1966 die Bankierstochter aus Tokio kennenlernte, war sie bereits eine arrivierte Konzeptkünstlerin, die in den frühen 1960er Jahren in der New Yorker Fluxus-Szene mit Performances, mit ihrem Sprechgesang und katzenartigen Lauten, Textarbeiten und Installationen auf sich aufmerksam machte, avantgardistische Treffen in ihrer Wohnung veranstaltete, mit Persönlichkeiten wie Marcel Duchamp, John Cage und George Maciunas bekannt war.

Ihre minimalistischen Werke standen für Onos Credo: „Künstler dürfen nicht noch mehr Objekte erschaffen; die Welt hat bereits alles, was sie benötigt“, meinte sie, „mich langweilen Künstler, die große Skulpturenbrocken anfertigen, damit viel Platz einnehmen und dann denken, sie hätten etwas Kreatives geleistet, den Leuten aber nichts weiter gestatten, als den Brocken zu beklatschen. Das ist reiner Narzissmus“.

Bekannt sind Onos flüchtige Objekte, die kleinen Luftkapseln, die man aus Kaugummiautomaten ziehen konnte – in der Ausstellung „Welt in der Schwebe“ 2022 im Kunstmuseum Bonn konnte man sie bewundern. Bekannt sind auch Puzzle-Teile als Giveaways, ihre Partituren für Schrei-Performances. In der Bonner Schau „Sound and Silence“ (2021) war auch eine Tonaufnahme von fallendem Schnee am Abend zu sehen, die man laut Anweisung nicht anhören, sondern zerschneiden und ein Geschenk damit verpacken soll. 1972 und 1987 nahm Ono an den documentas in Kassel teil. 2009 bekam sie den Goldenen Löwen der Kunstbiennale Venedig für ihr radikales Lebenswerk. Ihre internationale Ausstellungsliste ist lang. Sogar das Bonner Frauenmuseum steht darauf. Yoko Ono stellte 1993 eine Soldatenplastik im Hof auf, die die Gäste dann bemalten.

Musikalisch war sie ab 1969 viel mit Lennon unterwegs, zum Beispiel mit der Plastic Ono Band, der zeitweilig auch Eric Clapton und Klaus Voormann angehörten. Rockmusik traf auf Onos durchdringende Stimme. Onos Diskografie umfasst mehrere Dutzend Alben, in den letzten Jahren häuften sich die Remixes und Kompilationen früherer Stücke. Mit großen Retrospektiven in New York im Guggenheim Museum und  im MoMA, in der Frankfurter Schirn und im Museum Bildender Künste in Leipzig ist ihr künstlerisches Werk in den letzten Jahren breit gewürdigt worden.

Mit der Kritik an ihrer Person hat sie sich offenbar abgefunden. „Vor Kurzem ist mir klar geworden, dass ich völlig anders drauf war als die Leute, die mich immer wieder angegriffen und diffamiert haben. Weil ich aus einer total anderen Welt kam. Vielleicht hat mir das Stärke gegeben“, so Yoko Ono 2007.

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