Neil Young und „Harvest“: Eine Dokumentation im Rex in Bonn Herz aus Gold

Bonn · Vor 50 Jahren brachte Neil Young sein Album „Harvest“ heraus. Eine faszinierende Doku im Rex erinnert daran. Ein Muss für alle Fans

„Wir nutzen den Klangkörper der Natur“: Neil Young nahm 1971 in dieser Scheune auf seiner „Broken Arrow“-Ranch mit seinen Stray Gators Stücke für das Album „Harvest“ auf. Vor 50 Jahren ist es erschienen. Das Label Warner bringt zu dem Anlass eine „Harvest“-Box heraus mit Buch, DVD, Vinyl und CD. 

„Wir nutzen den Klangkörper der Natur“: Neil Young nahm 1971 in dieser Scheune auf seiner „Broken Arrow“-Ranch mit seinen Stray Gators Stücke für das Album „Harvest“ auf. Vor 50 Jahren ist es erschienen. Das Label Warner bringt zu dem Anlass eine „Harvest“-Box heraus mit Buch, DVD, Vinyl und CD. 

Foto: Joel Bernstein

Er sei nervös gewesen, erzählt Neil Young, habe außerdem nicht gut gespielt, als er bei der Johnny Cash Show in Nashville war. Aber er hat dort die richtigen Musiker für sein neues Projekt getroffen. „Wir waren ziemlich betrunken, gingen in Elliots Studio und fingen an zu spielen“, erzählt Young. Und dann traf man sich in der Scheune von Youngs „Broken Arrow“-Ranch in Nordkalifornien. Wir sehen, wie Young mit dem Jeep auf die Ranch zufährt, vorbei an abgeernteten Feldern. „Ich bin aufgeregt“, sagt er in die Kamera, und dann sitzt er schon im Karohemd mit seinen Stray Gators in der Scheune: Mit Ben Keith, der die Songs wunderbar mit dem Gejaule der Pedal-Steelgitarre grundiert, mit dem Klasse-Schlagzeuger Kenny Buttrey, mit Tim Drummond am Bass und Jack Nitzsche, Youngs Mann am Piano und der Slidegitarre. „Alabama“, diese herrliche Ballade, füllt die Scheune.

Und man ist mitten drin im Album „Harvest“, das vor 50 Jahren erschien, Neil Youngs erfolgreichstes. Und nachhaltigstes: Was da in der Scheune zusammengejammt wurde, prägt Youngs Arbeit bis heute, bis zu wunderbaren Songs wie „Driftin‘ Back“ aus dem Album „Psychedelic Pill“ (2012) oder „Ordinary People“ („Chrome Dreams II“, 2007) oder den aktuellen Alben „Barn“ und dem mit Crazy Horse aufgenommenen „World Record“.

Natur als Klangkörper

Von Januar bis September 1971 wurde ausgiebig in der Scheune gefilmt, wo zentrale Stücke von „Harvest“ eingespielt wurden. „Wir nutzen den Klangkörper der Natur“, meint der Produzent. Regisseur Bernhard Sharkey (hinter dem Namen verbirgt sich Neil Young) hat nicht nur in der Scheune filmen lassen, es zog ihn auch nach London, wo „A Man Needs A Maid“ mit dem London Symphony Orchestra einstudiert und aufgenommen wurde, nach Nashville ins Studio und nach New York, wo Young in einer fesselnden Sequenz mit der Bierflasche in der Hand und Steven Stills sowie Graham Nash an seiner Seite den Backgroundchor für „Words“ einstudiert. Für „Alabama“ nimmt er den Hintergrundgesang mit David Crosby und Stills auf.

Dieses Filmmaterial wurde nun für die 130-Minuten-Dokumentation „Harvest Time“ zusammengestellt, die weltexklusiv an nur wenigen Terminen in ausgewählten Kinos gezeigt wird, bevor die DVD erscheint. Das Bonner Rex zeigt „Harvest Time“ am Sonntag und kommenden Mittwoch. Ein Muss für jeden Neil-Young-Fan.

Mit Joint und Hamburger

Es kristallisiert sich heraus, dass „Words“ das zentrale Werk dieser Platte ist. Immer wieder wird diese schwermütige Ballade in Proben oder bei der Aufnahme gespielt, bis sich die Musiker, wahlweise mit dem Joint oder dem Hamburger in der Hand, das Ergebnis anhören und ganz angetan sind.

Toll gefilmt, dokumentiert der Film die Konfrontation des langmähnigen Country-, Folk- und Rockmusikers Young mit dem eher biederen Klassikdirigenten David Meecham und seinen Londoner Sinfonikern. Ob er denn schon etwas von dem Jazzer Art Tatum oder der Rockband Pink Floyd gehört habe, wird Young gefragt. Keine Ahnung, sagt er, gesteht, dass er keine Noten lesen kann, und bemerkt genervt, dass die Klassiker immer eine Note hinterherhinken: „Rockmusik ist anders, es ist nicht wie Hollywood.“ Am Ende sind jedoch alle mit dem Ergebnis zufrieden. 

Man erlebt Young auf dem Bett liegend und albern auf dem Banjo „Out On The Weekend“ spielend, man hört ihn bei einer sehr intensiven Aufnahme von „Heart Of Gold“. Und man spürt die Unruhe des Mittzwanzigers, der auf dem Feld vor seiner Scheune liegt. So richtig glücklich ist er nicht, aber die „tolle Truppe“ findet er gut. Und er erzählt, wie er komponiert: „Es passiert, es kommt einfach, ich wache auf und schreibe ein Lied.“ Wie er sich fühle, wird er gefragt: Er druckst etwas herum und sagt: „Ich bin ein reicher Hippie.“ So richtig wohl fühlt er sich dabei offenbar nicht. 

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