Jazzfest Bonn im Landesmuseum Höhepunkt zur Halbzeit

Bonn · Vincent Peirani begeistert mit seinem Trio und dem Projekt „Jokers“ beim Jazzfest Bonn im Landesmuseum, Shannon Barnett setzt mit ihrem Quartett auf die Spannung zwischen Posaune und Saxofon.  

 Jazzfest Bonn Vincent Peirani

Jazzfest Bonn Vincent Peirani

Foto: Lutz Voigtländer

Sie hatten sichtlich Spaß, die Drei auf der Bühne des LVR-Landesmuseums. Und der Funke sprang augenblicklich auf das Publikum über, das Wachs in den Händen von Vincent Peirani und seinen beiden Mitmusikern, dem Gitarristen Federico Casagrande und dem Schlagzeuger Ziv Ravitz, war. Ob der Akkordeonist Peirani in der wehmütigen Ballade „Les Larmes du Syr“ schwelgte oder es bei der Nummer „This is the New Shit“ der Metal-Band Marilyn Manson richtig krachen ließ, ob er das hinreißend zarte Wiegenlied „Ninna Nanna“ auf der Accordina intonierte oder mit dem Hammer-Song „River“ von Bishop Briggs die Hörnerven im Parkett testete – das Publikum folgte ihm willig und durch und durch begeistert. In den langsamen Stücken konnte man sich getrost fallen lassen, wenn es heftig wurde, ging man einfach mit durchs Feuer.

Der 42-jährige Akkordeonist aus Nizza ist ein Phänomen. Wer zurückblickt und bewundernd registriert, mit wem Peirani schon zusammengespielt, welche Stilistiken er sich zu eigen gemacht hat, ist erstaunt, das da noch Raum für Riesenüberraschungen ist. „Jokers“, sein neues Projekt, ist ein spektakulärer Wurf, was einmal mit den überragenden Musikern zu tun hat, zum anderen mit dem Crossover, das Peirani mit seinem Trio absolut perfekt auf die Bühne bringt: Von der Ballade und dem Kinderlied bis zur melancholischen Volksweise – da kann Peirani das gewohnte Flair seines Instruments ausspielen. O La La. Das Publikum schmilzt dahin. Doch dann kommen Rock und Punk wie ein Sommergewitter über Bonn: Da zeigt das Akkordeon seine Zähne, da bewegt es sich auf Augenhöhe mit den aggressiven Riffs der E-Gitarre, die Casagrande mit einem charmanten Lächeln aufheulen lässt, und dem unbarmherzigen Trommelfeuer des Schlagzeugers Ravitz, der sich wie ein Schuljunge über einen gelungenen Streich freut. Peirani gibt Gas, seine Finger fliegen über die Tastatur, der Raum füllt sich mit wilden Melodiefetzen.

Mit „Jokers“ erlebt das Jazzfest Bonn zur Halbzeit einen tollen Höhepunkt. Das Publikum lernte fast alle Stücke der neuen CD kennen, aber auch ältere im neuen Arrangement wie Jeff Buckleys spannendes „Dream Brother“ oder „Ritournelle“ mit einem gigantischen Schlagzeug-Intro. Das Publikum erklatschte sich zwei Zugaben, darunter das tolle, punkige „Copy of A“ von den Nine Inch Nails.

Perfekt eingespielt: Das Shannon Barnett Quartet

Begonnen hatte das Konzert im Landesmuseum mit einem spannenden Duell von Posaune und Tenorsaxofon, sekundiert von Schlagzeug und Kontrabass. Die in Köln lebende australische Posaunistin Shannon Barnett präsentierte ihr hervorragendes neues Album „Bad Lover“, in dessen Mittelpunkt eine Suite steht: „Bad Lover“, „Bad Neighbour“, „Bad Friend“ und „Bad Luck“, beziehen sich jeweils auf den Jazz-Standard „I Love You“, arbeiten mit verschiedenen Stimmungen und Temperamenten und leben vom präzisen Zusammenspiel und der immer wieder aufblitzenden Improvisationsfreude von Barnett und Stefan Karl Schmid am Saxofon. „Bad Luck“, das stärkste und traurigste Stück der Suite, gibt Barnett und Schmid großen Raum für choralartige Passagen und Soli, die aufeinander reagieren. Mit weichem Sound schwelgten beide in purer Melancholie.

Geschmeidig führte Barnett ihr Quartett aber auch in eher experimentelle Sphären oder ließ es sich im Hexenkessel heißlaufen: Ein sehr schön aufeinander eingespieltes Team mit einer Chefin, die alles gibt. Das Publikum war begeistert.

Aktuelle CDs: Vincent Peirani: „Jokers“ (ACT), Shannon Barnett Quartett: Bad Lover (Toy Piano).

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