Interviews mit Angehörigen der Kunstszene Homestories aus dem Lockdown

Bonn · Die gerade erschienene Interviewsammlung „Work in Progress“ gibt tiefe Einblicke in die NRW-Kunstszene während der Pandemie. Wir stellen vier Gesprächspartnerinnen aus Bonn vor.

 Nora Höglinger, Projektleiterin in der Stiftung Kunstfonds Bonn.

Nora Höglinger, Projektleiterin in der Stiftung Kunstfonds Bonn.

Foto: Nadine Schwickart

Lockdown, zwei kleine Kinder, ein „unflexibles und realitätsfernes“ Betreuungssystem: Die Bonner Malerin Bettina Marx blickt auf dem Foto von Nadine Schwickart sorgenvoll aus dem Atelierfenster. Licht fällt auf ihren Arbeitstisch und einen Bilderstapel an der Wand, auf dem das Foto ihres während der Pandemie geborenen zweiten Sohnes klebt. „Ich war wenig im Atelier, vielleicht im Schnitt 15 Stunden pro Woche, dafür dann nachts am Computer, tagsüber zwischen den Kindern hin und her gependelt“, erzählt sie. Die Vorbereitungen für eine Ausstellung in Schweden – ihre erste internationale Soloshow – liefen online und endeten mit einer wertvollen Erkenntnis: „Ich habe mich zwischendurch gefragt, ob der schwedische Sonderweg nicht doch ein guter Weg war“, sagt sie in einem Interview mit Leonie Pfennig.

Veränderte Arbeitsbedingungen

Corona ist vorbei. Hat der Chefvirologe Christian Drosten schon kurz nach Heiligabend 2022 verkündet. Eine griffige Schlagzeile. Was er meinte: „Wir erleben in diesem Winter die erste endemische Welle mit Sars-Cov-2, nach meiner Einschätzung ist damit die Pandemie vorbei.“ Die Maskenpflicht entfällt weitgehend, die scharfen Corona-Regeln sind großteils außer Kraft. Zurück zur Tagesordnung. Dass das nicht so ganz funktioniert, liest man konkret oder auch zwischen den Zeilen von zwölf Interviews, die Leonie Pfennig und Luise Pilz mit Künstlerinnen, Galeristinnen, Kuratorinnen und sonstigen Protagonistinnen des Kunstbetriebs in Nordrhein-Westfalen geführt haben.

Die Fotografin Nadine Schwickart begleitet die Gesprächsserie, in der es nicht nur um Pandemie-Erfahrungen, sondern um den ganzen Werdegang und die künstlerische oder kuratorische Arbeit geht, mit sehr einfühlsamen Porträtstudien. Die höchst lesenswerte Interviewsammlung, quasi zwölf intensive Homestories aus dem Lockdown, ist gerade unter dem Titel „Work in Progress. Gespräche über Arbeit“ erschienen.

Der pandemische Moment

Vier Bonnerinnen sind unter den Interviewten. Darunter die Künstlerin Bettina Marx. Die Pandemie hat die Arbeitsweise von Marx stark verändert. Früher ist sie viel gereist, hat sie Orte besucht, die sie inspirierten, hat Zeichnungen gemacht. Das hörte in der Pandemiezeit auf, „das funktioniert irgendwie nur unterwegs“. Die Chefin des Bonner Kunstvereins, Fatima Hellberg, die Anfang 2020 kurz vor Ausbruch der Pandemie ihr Direktorinnenamt startete, erzählt, dass „der pandemische Moment“ für sie wichtig war. Sie konnte sich tiefe Gedanken über Geschichte und Struktur ihrer neuen Wirkungsstätte – „ein Mikrokosmos der Zivilgesellschaft“ – machen, ferner über Aspekte wie Fürsorge und gesellschaftliches Miteinander, die ihre kuratorische Arbeit prägen. Sie hat gemerkt, „dass es hilfreich ist, Zeit zu haben“. Spannend fand sie, dass in der Pandemiezeit plötzlich viel Geld für die Kultur da war. Und fürchtet, dass die Förderungen wieder versiegen.

Nora Höglinger, die bei der Stiftung Kunstfonds in Bonn etliche Förderinstrumente betreut, hatte in der Pandemiezeit extrem viel zu tun, nutzte dabei ihre Erfahrungen und Einblicke in die Lebensbedingungen von Künstlern. Sie hat intensiv über Fördermechanismen nachgedacht, wünscht sich in Zukunft Programme, „die dann hoffentlich individueller auf die Bedürfnisse eingehen, und dass sich dadurch eine Nachhaltigkeit entwickelt.“

Auch die freie Kuratorin aus Köln-Ehrenfeld, Clara Napp, hat die Pandemiezeit genutzt, um über den Wert des gesellschaftlichen Miteinanders nachzudenken und ihre Arbeitsweise zu ändern. Nach dem Interview hat sie den Job gewechselt, ist jetzt Referentin für Kunst und Kultur bei der Kultusministerkonferenz in Bonn.

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