Klaus Weise liest Theodor Wolff Hommage an eine Heldin

Bonn · Klaus Weise liest im Atelier 223 aus Theodor Wolffs Berlin-Roman „Die Schwimmerin“. Präzises Zeitgemälde.

 Lovestory und Zeitgemälde: Klaus Weise, Ulla Egbringhoff und Stefan Weidle (von links)  bei der Lesung im Mehlemer Atelier 223. 

Lovestory und Zeitgemälde: Klaus Weise, Ulla Egbringhoff und Stefan Weidle (von links)  bei der Lesung im Mehlemer Atelier 223. 

Foto: Atelier 223

Macht es einen Unterschied, wer einen Text liest: der Autor, eine Schauspielerin oder ein Regisseur? Interessante Frage. Klaus Weise, ehemaliger Bonner Generalintendant, stellte sie bei der Lesung aus Theodor Wolffs „Schwimmerin“, las und beantwortete sie dahingehend, dass der Regisseur nicht einfach deklamieren kann, ohne die szenische Situation scharfsinnig und durchaus witzig zu bewerten. Das Publikum im Atelier von Yvonne und Mark Lange fand die Fragestellung erfrischend und freute sich sichtlich zum Finale der Reihe Literatur in den Häusern der Stadt, durch Weises sonore Stimme in ein, so Moderatorin Ulla Egbringhoff, außergewöhnliches Werk eingeführt zu werden.

Liebesgeschichte und Zeitchronik

Dieser 1937 erschienene Roman hat es in sich: Es ist eine asymmetrische Liebesgeschichte mit einem älteren Mann, Ulrich Faber, der sich in die 17-jährige Gerda Rohr, die Schwimmerin, verknallt. Es ist gleichzeitig ein Roman über Widerstand und Zivilcourage in Zeiten einer deutlich erstarkenden Diktatur, ein Buch über einen angepassten Zauderer (Faber) und eine Frau (Rohr), die sich gegen die Zeitläufte stellt. „Die Schwimmerin“ ist zugleich ein fulminanter, exzellent recherchierter Berlin-Roman und ein präzises Zeitgemälde, das den aufkeimenden Nationalsozialismus ebenso beleuchtet wie die soziale Situation und die Schockwellen und Auswirkungen der Weltwirtschaftskrise. Hinter dieser brillanten Analyse steckt ein kluger Kopf, der Chefredakteur des Berliner Tageblatts, der ob seiner spitzen Feder gefürchtete Leitartikler Wolff.

Auf eine Sphäre des Buchs machte Verleger Stefan Weidle noch aufmerksam: „Die Schwimmerin“ ist auch eine Hommage an eine außergewöhnliche Frau. Denn, während Ulrich Faber mit Theodor Wolff nichts gemein hat, verbirgt sich hinter der Figur der Gerda Rohr die historische Person der Ilse Stöbe, eine faszinierende Frau. 1931 bis 1933 war sie Sekretärin von Wolff. Sie schloss sich der kommunistischen Zelle von Rudolf Herrnstadt an, arbeitete (und spionierte) im Auswärtigen Amt. Ende 1942 wird die 31-Jährige verhaftet, zum Tode verurteilt und mit Aktivisten der „Roten Kapelle“ in Berlin-Plötzensee hingerichtet.

Theodor Wolff; Die Schwimmerin. Weidle Verlag, 324 S., 20 Euro

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