Anthony Hopkins 85 „Ich spiele gern Monster“

Bonn · An Silvester feiert der britisch-amerikanische Schauspieler Anthony Hopkins seinen 85. Geburtstag.

 Triumph mit „Das Schweigen der Lämmer“: (von links) Jonathan Demme, Jodie Foster und Anthony Hopkins 1992 bei der Oscar-Verleihung.

Triumph mit „Das Schweigen der Lämmer“: (von links) Jonathan Demme, Jodie Foster und Anthony Hopkins 1992 bei der Oscar-Verleihung.

Foto: dpa/Reed Saxon

Er kann gefährlichste Stärke und erbärmlichste Schwäche verkörpern und bekam für beide Fähigkeiten je einen Oscar. 1991 war Anthony Hopkins der kultivierte Kannibale Hannibal Lecter in „Das Schweigen der Lämmer“. Ein Serienkiller hinter Gittern, der die FBI-Agentin Clarice Starling (Jodie Foster) zu einem Teufelspakt verführt: Während sie sich Informationen zu aktuellen Morden erhofft, riecht er noch durch Panzerglas ihre Angst und zieht ihr mit seinem laserscharfen Verstand gewissermaßen die Haut von den Knochen. Kälter und kontrollierter ist wohl kaum je ein Monster in die Leinwand geätzt worden. Oscar-Ruhm und Kassenerfolg bewegten den Bäckersohn aus Wales noch zweimal zu diesem satanischen Bravourstück, wobei „Roter Drache“ und „Hannibal“ nicht die Dichte des Originals erreichten.

Fast 30 Jahre später sah man den Mimen, der einst Pianist werden wollte, ganz anders. Gewiss, auch als Titelheld in „The Father“ ist er ein manipulatives Ekel. Schließlich schikaniert dieser demenzkranke Greis mit unbarmherziger Intelligenz sowohl seine Tochter wie auch seine Pflegerinnen.

Allmählich jedoch zeigt sein innerer Spiegel nur noch Zerrbilder, und der Alltag wird zum Irrgarten, in dem der Vater immer wieder vor Wände läuft. Bis er wie ein greinendes Kind nach seiner längst gestorbenen Mutter ruft. Mag sein, dass Hopkins diesen Weg in die geistige Umnachtung sogar etwas zu virtuos hinabtaumelt, doch die zweite Trophäe der Academy war ihm 2021 sicher.

Zwischen diesen Auszeichnungen liegt das weite Feld einer Karriere, auf die wohl auch sein Mentor stolz gewesen wäre. Seine Talentprobe legte der Schauspiel-Eleve nämlich am Royal National Theatre in London vor den Augen von Laurence Olivier ab, dessen Wandlungsgenie er bewunderte. So wurde er später selbst Methusalem und Quasimodo, der Vampirjäger Van Helsing (in Coppolas „Dracula“) oder William Shakespeares heimatloser „King Lear“.

 Anthony Hopkins 2022 bei den Academy Awards in Hollywood.

Anthony Hopkins 2022 bei den Academy Awards in Hollywood.

Foto: dpa/Jae C. Hong

Die privaten Dämonen

In Michael Ciminos „Desperate Hours“ litt er unter dem Terror eines Psychopathen, erteilte aber als Kapitän Bligh an Bord der „Bounty“ selbst Lektionen in Grausamkeit. „Ich spiele gern Monster“, bekannte er einmal, und so beging er als genialer Flugzeugkonstrukteur (beinahe) „Das perfekte Verbrechen“ an seiner untreuen Frau. Anfangs verehrte der junge Eigenbrötler vor allem Richard Burton, dessen Kräche am Set, Alkoholexzesse und Ehe-Schiffbrüche er eine Weile beängstigend erfolgreich imitierte.

Seine privaten Dämonen aber hat Anthony Hopkins längst gezähmt und entfesselt sie lieber auf der Leinwand. Etwa in Oliver Stones „Nixon“ (1995), wobei er dem Ex-Präsidenten von verschwitzter Machtgier bis zur Panik des Amtsverlusts nichts schuldig blieb. Statt an Schauspielkunst glaubt der Vielbeschäftigte eher an exzellentes Handwerk: „Ich fresse den Text, bis er ein Teil von mir wird“, sagte er einmal, denn diese Disziplin gebe ihm bei Dreharbeiten größte Freiheit. Nicht immer war die Rollenwahl des zum Sir Geadelten makellos. Als „Hitchcock“ etwa ließ er sich zwar maskenbildnerisch verfetten, konnte aber in Sacha Gervasis Regie nie die Abgründe des Thriller-Altmeisters ausleuchten.

Wie bei vielen Kolleginnen und Kollegen ließ Hollywood Hopkins’ beste Leistung bei Golden Globes wie Oscars unbelohnt. 1993 spielte er in James Ivorys „Was vom Tage übrig blieb“ einen britischen Butler, der alles Private im Korsett perfekter Dienstbarkeit stranguliert. Allenfalls in minimalen Sprechpausen oder einem Zucken der Augenlider blitzen seine Gefühle für die Haushälterin Miss Kenton (Emma Thompson) auf – doch gerade diese mimische Sparsamkeit enthüllt das Drama einer verfehlten Liebe.

Ans Aufhören denkt der Ausnahme-Schauspieler offenbar nicht, war in den USA jüngst im (verrissenen) Thriller „Where Are You“ zu sehen und bei uns als liebender Großvater in James Grays „Zeiten des Umbruchs“. Am 31. Dezember feiert Anthony Hopkins seinen 85. Geburtstag. Und noch am 11.12. sah und hörte man ihn in einem Tweet beim heimischen Klavierspiel. Der Text dazu: „Mit Liebe… Es ist Sonntag und ich fühle mich gut.“

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