Distel-Ensemble im Haus der Springmaus Interview im Gehirn des Kanzlers

Bonn · Das Distel-Ensemble gastierte im Haus der Springmaus. Doch bevor die Show im ausverkauften Haus stattfinden konnte, musste ein Ensemblemitglied kurzfristig ersetzt werden.

 Das Haus der Springmaus in Bonn.

Das Haus der Springmaus in Bonn.

Foto: privat

Alarm bei der Distel: Zwölf Stunden vor dem Auftritt im ausverkauften Haus der Springmaus muss Ensemblemitglied Timo Doleys krankheitsbedingt passen. Für ihn springt der rasch rekrutierte Oliver Dupont ein und muss, verständlicherweise, seinen Part komplett aus dem Textbuch ablesen, das er aufgeschlagen in der Hand hält. Warum diese Personalie hier gleich zu Beginn erwähnt wird? Weil der beschriebene Umstand sogar für ein großartiges Bühnenprogramm zu einem fatalen Bremsklotz werden kann. Das ist beim Gastspiel des renommierten Berliner Kabarett-Theaters „Distel“ allerdings nicht der Fall. Im Gegenteil. Das Programm „Deutschland in den Wechseljahren“ mit Caroline Lux, Rüdiger Rudolph, Edgar Harter und Oliver Dupont – unterstützt von den Musikern Falk Breitkreuz und Tilman Ritter – demonstriert eindrucksvoll, wie angriffslustig, schnell, einfallsreich und insbesondere frisch politisches Kabarett-Theater anno 2023 sein kann.

Der Bühnenaufbau mit drei prall behangenen Garderobenstangen sowie drei Kombinationen aus Rednerpult und dreistufiger Treppe gibt schon einen Vorgeschmack auf die Spiel- und Verwandlungsfreude der Truppe aus Berlin. Angesichts von Tempo und Themendichte müsste man sich auf dem Sitzplatz fast anschnallen. „Würde Karl May heutzutage gendern: Robert Habeck, der Ölprinz. Durchs wilde Kurdistan mit dem neun, ähm, 49-Euro-Ticket. Und Bleichgesicht heißt heute natürlich alter, weißer Mann.“ Apropos Bundeswirtschaftsminister. „In drei Jahren wird Habeck ganz genderneutral das Mutti der Nation“, prophezeit das Distel-Ensemble. „Obwohl Lützerath zum Hartz IV für die Grünen geworden ist.“ Und links von den Grünen, da wäre Die Linke zu verorten. Normalerweise. Aber was und vor allem wer bleibt im Zusammenhang mit jener Partei in den Köpfen hängen? Richtig. Aber: „Sahra Wagenknecht ist inzwischen eine linke Mischung aus Hans-Georg Maaßen und Russia Today.“

Und noch mal apropos – in den Köpfen hängen. Reporterin Caroline Lux führt das Publikum gewissermaßen exklusiv in das Gehirn des Bundeskanzlers und befragt dort den Stirnlappen – köstlich kostümiert: Rüdiger Rudolph. Hat Olaf Scholz nun wirklich eine „Ausstrahlung wie eine lauwarme Thermoskanne voller Valium“ oder pendelt er vielmehr zwischen „hanseatischer Gelassenheit und engagierter Egal-Haltung“? Fragen über Fragen. Keine Frage ist, dass unsere Ozeane wegen des Plastikmülls in einigen Jahren aussehen dürften „wie in der Augsburger Puppenkiste“. Ebenfalls keine Frage ist, dass die Berliner Distel kräftig blüht, sogar im Januar. Und wunderbare Stacheln hat.