Buch „Richter Gottes“ von Eva Müller Katholische Paralleljustiz

Köln · Die Kölner Journalistin Eva Müller dürfte mit ihrem neuen Buch „Richter Gottes“ die Diskussion um die internen Gerichte der Katholischen Kirche befeuern. Sein Untertitel: „Die geheimen Prozesse der Kirche“.

 Sie entscheiden, wer gültig verheiratet ist: Richter der „Rota Romana“, des zweithöchsten Gerichtshofs der Katholischen Kirche, im Januar 2009 mit Papst Benedikt XVI.

Sie entscheiden, wer gültig verheiratet ist: Richter der „Rota Romana“, des zweithöchsten Gerichtshofs der Katholischen Kirche, im Januar 2009 mit Papst Benedikt XVI.

Foto: picture-alliance/ dpa

Ob kirchliche Kritiker wieder schäumen werden über Eva Müllers zweites Buch „Richter Gottes“? So wie über das erste, „Gott hat hohe Nebenkosten – Wer wirklich für die Kirchen zahlt“ von 2013? Das hatten Rezensenten für die Katholische Kirche wie der Duisburger Professor Bruno W. Nikles in Caritas-Medien als „Rundumschlag gegen die Kirchen“ und voreingenommene ideologische „Stimmungsmache“ beschimpft.

Selbst Kölns evangelischer Kirchensprecher Günter A. Menne hatte der freien Journalistin aus der Domstadt vorgeworfen, „pauschal vorgebrachte Schelte“ an den Kirchen und ihrem Umgang mit ihren Arbeitnehmern zu betreiben.

Das Fachbuch, das den Fall der geschiedenen Leiterin eines katholischen Bonner Kindergartens in den Fokus stellte (der GA berichtete), stand über Wochen ganz oben auf den Bestsellerlisten. Müller heimste für ihre Recherche über die Kirchen als Arbeitgeber reihenweise Journalistenpreise ein – und nervt bestimmte kirchliche Kreise nun schon wieder.

Denn in zwei WDR-Berichten hatte sich Müller seit November 2015 unter dem Motto „Richter Gottes“ die so gut wie unbekannte Welt der katholischen Kirchengerichte vorgeknüpft, in denen auch Fälle wie derjenige der Bonner Kindergärtnerin geprüft wurden: Die verlor ihren Job, weil sie eine neue Beziehung eingegangen war.

Müllers neues Buch (Untertitel: „Die geheimen Prozesse der Kirche“) setzt bei diesen brisanten Sendungen an, die bundesweit Wirbel auslösten (der GA berichtete). Es führt die Ereignisse weiter bis August 2016. Und siehe da: Der, wie selbst ihre schärfsten Kritiker meinen, in Talkshows zuerst so freundlich auftretenden 37-Jährigen ist mit „Richter Gottes“ wieder ein flott geschriebenes und gleichzeitig engagiertes Stück investigativer Journalismus gelungen.

Müller hat sich daran gemacht, Einblick in ein, wie sie meint, paralleles Justizsystem mitten in Deutschland zu finden, aus dem kaum etwas nach außen dringe. Sie trifft dort auf richtig sympathische Mitmenschen – und dann irgendwann auf ein, wie sie es schildert, erschreckendes Labyrinth an aufwendigen Verfahren, die Katholiken aus Angst um ihre Jobs in konfessionellen Kindergärten, Krankenhäusern oder Schulen auf sich genommen haben.

An Beispielen liebender Paare führt Müller plastisch vor, wie weit, ja wie absurd Gläubige dort von Kirchenrichtern vernommen, Freunde, Nachbarn oder Familienmitglieder als Zeugen befragt und Psychologen und Priester um Gutachten gebeten werden, so ihre Deutung. „Bis heute gilt: Wer katholisch getraut ist und eine neue Beziehung eingeht, verstößt gegen Kirchenrecht – und riskiert seinen Job“, sagt Müller.

Der einzige Ausweg: ein „Ehenichtigkeitsprozess“ vor dem Kirchengericht. Um den zu verstehen, sucht Müller auch den Bonner Professor Norbert Lüdecke auf. Und der Kirchenrechtler liefert glasklare Fakten: Wer arbeitsrechtliche Konflikte vermeiden wolle, komme um diese Prozesse auch heute nicht herum.

So weit, so letztlich für die Betroffenen schmerzhaft und für den unbedarften Leser bizarr. Müller berichtet aber in parallelen Erzählsträngen auch hautnah über kirchliche Strafprozesse. Der Fall des Pfarrers Peter R., des mutmaßlichen Haupttäters im Missbrauchsskandal am jesuitischen Berliner Canisius-Kolleg, zeige, wie das Nebeneinander von zwei Rechtssystemen in Deutschland mögliche Missbrauchstäter im schlimmsten Fall sogar vor Strafen schütze, behauptet die Journalistin.

Wie berichtet, war der heute unbehelligt wieder in Berlin lebende Peter R. aus dem Kolleg stillschweigend ins Bistum Hildesheim abgeschoben worden – wo er, wie Müller nachweist, mehrfach wieder übergriffig wurde. Die staatliche Justiz blieb auch hier außen vor. Und noch nicht einmal das Opfer wurde informiert oder gar angehört, als 2012 ein internes Kirchengericht den Mann wegen sexueller Handlungen an einer einzigen minderjährigen Person zu nur 4000 Euro Geldstrafe verurteilte.

Da kann Müller nun in ihrem Buch Neues berichten: Zunächst die niederschmetternde Tatsache, dass in Bischof Norbert Trelles Bistum nicht nur die Minderjährige Opfer des Mannes geworden sei, sondern offensichtlich Jahre zuvor auch deren Mutter.

Müller führt aber auch aus, dass die Kirche nun doch auch einen weiteren kirchlichen Strafprozess gegen ihren Pfarrer in Berlin vorbereite, an den auch seine Canisius-Opfer hohe Erwartungen knüpfen. „Der Täter muss endlich sichtbar und klar aus seinem Amt entfernt werden, der Schutz der In-stitution muss ihm entzogen werden“, kommentiert etwa der ehemalige Canisius-Schüler Matthias Katsch das angekündigte Verfahren in Müllers Buch.

Die Neuerscheinung „Richter Gottes“ dürfte wieder harte Kost für alle die sein, die der Römisch-Katholischen Kirche nahe stehen und gerade an die Strahlkraft des aktuellen Papstes glauben. Das Buch dürfte aber auf jeden Fall reichlich Stoff für kontroverse Diskussionen bieten: Eine gestandene Journalistin wie Eva Müller wird's freuen.

Eva Müller: Richter Gottes. Die geheimen Prozesse der Kirche. Kiepenheuer & Witsch, 256 S., 14,99 Euro

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