Ausstellung von Heike Weber im LVR-Landesmuseum Kunst als Sinneserfahrung

Bonn · Die Ausstellung „Ambiopia“ im LVR-Museum zeigt die raumgreifenden Werke von Heike Weber. Zu entdecken gibt es Kunst, die visuelle Erfahrung in ein körperhaftes Erlebnis überführt.

Spürbare Sinneserfahrungen: Die Bodenzeichnung „Sonic“ und die Arbeit „ Die Welt ist Klang“.

Spürbare Sinneserfahrungen: Die Bodenzeichnung „Sonic“ und die Arbeit „ Die Welt ist Klang“.

Foto: Schoenebeck

So verlassen die ersten beiden Etagen des LVR-Landesmuseums seit einem dreiviertel Jahr wegen des anstehenden Umbaus der Dauerausstellung wirken mögen, so sehr darf man sich auf die dritte Etage freuen. Hier locken die Ausstellung „Augenlust?“, die sich niederländischen Stillleben im Detail widmet und nun, frisch eröffnet, „Ambiopia“ mit Werken von Heike Weber. Die Künstlerin, 1962 in Siegen geboren, hat Grafik-Design an der FH Aachen studiert und erhielt 2020 den Luise-Straus-Preis. Mit diesem Preis, der mit 5000 Euro und einer Ausstellung dotiert ist, würdigt und fördert der Landschaftsverband Rheinland hervorragende Arbeiten von Künstlerinnen, die im Gebiet des LVR leben oder arbeiten.

Heike Webers raumgreifende Werke tauchen in Deutschland und international vielerorts als Kunst am Bau auf und auch in Bonn kennt man die große Wandarbeit „Sturz des Ikarus“ im Foyer des Kunstmuseums sowie die neuen Arbeiten in den U-Bahn-Zugängen am Hauptbahnhof. Installativ und den Raum definierend arbeitet die Künstlerin auch im Landesmuseum. Dabei ist der etwas geheimnisvolle Ausstellungstitel „Ambiopia“ eigentlich ein medizinischer Fachbegriff und bezeichnet eine Sehstörung, bei der die betroffenen Menschen mehrere visuelle Eindrücke im Raum zugleich wahrnehmen. In ihrer Kunst befasst sich Heike Weber mit der subjektiven Wahrnehmung und überführt in den großen Rauminstallationen die rein visuelle Erfahrung in ein körperhaftes Erlebnis.

Glitzern im fast dunklen Raum

Der Rundgang beginnt mit der Bodenarbeit „alma“, die aus winzigen Spiegelsplittern in einem fast fünf Meter großen Kreis besteht. Das Glitzern der unzähligen Splitter im fast dunklen Raum setzt mit seiner starken ästhetischen Anziehungskraft gleichsam die Stimmung für die gesamte Ausstellung. Auch die Wandarbeit „cubes“ lässt sich abschreiten. Über eine Länge von dreieinhalb Metern hat Heike Weber mit starken Plastikkordeln und Nadeln in kurzem Abstand zur Wand Kuben verschiedener Größe abgespannt und so eine riesige Fadenzeichnung aus perspektivischen Ansichten geschaffen. Formen, Linien und Schatten verschachteln sich ineinander und ändern ihre Erscheinung je nach Standpunkt des Betrachters.

Auch in der Werkreihe „Scrubs“ überlagern sich die Formen. Großformatige Papierschnitte bilden in verschiedenen Ebenen eine Art Formendickicht, mit dem ein Naturerlebnis abstrahiert wird. Wenn dies, wie in der Installation „Lichtung“, im Raum angeordnet und durch ein wanderndes Licht angestrahlt wird, taucht man ein in eine poetische Erfahrung, in der Kunst- und Naturformen sich gegenseitig animieren. In die Arbeit „Die Welt ist Klang“ kann der Betrachter sich nicht nur mitten hinein begeben, sondern sie auch aktiv mitgestalten. Über 100 Spiegelkugeln hängen in Bahnen unterschiedlicher Höhe von der Decke und dürfen sanft in Schwingung versetzt werden. Dadurch wird ein Sound ausgelöst, denn die Metall-Kugeln sind berührungsempfindliche Klangkörper.

Walter Eul, der Partner von Heike Weber, hat für jede Kugel einen Klang komponiert und so löst der Besucher eine einzigartige individuelle Komposition aus, die anschwillt und dann langsam wieder verschwindet. Gemeinsam mit der Bodenzeichnung „Sonic“, in der Kreisformen wellenartig über den Untergrund ziehen, verweben sich sichtbare, hörbare und im Körper spürbare Sinneserfahrungen.

LVR-Landesmuseum, Colmantstraße 14-16, bis 15. Januar. Di–So, Feiertag 11-18 Uhr. Katalog Verlag Kettler, 25 Euro im Museumsshop.

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