Ausstellung von Jenny Holzer in Düsseldorf Kunst macht Sprüche

Bonn · Politische Botschaften und Sprechblasen: Große Retrospektive von Jenny Holzer in Düsseldorf.

Das Werk „Untitled, 2023“ aus Knochen in der Ausstellung von Jenny Holzer.

Das Werk „Untitled, 2023“ aus Knochen in der Ausstellung von Jenny Holzer.

Foto: dpa/Henning Kaiser

In Zeiten der Krise sind Künstler gefragt, die den Menschen die Wahrheit sagen. Die  amerikanischen Schriftkünstlerinnen Jenny Holzer (72) und Barbara Kruger (78) tun dies seit ihrer Jugendzeit. Beide werden nun wiederentdeckt. Kruger hatte ihren großen Auftritt in der Neuen Nationalgalerie in Berlin, wo ihre Textarbeit in Schwarz-Rot-Weiß die gesamte Bodenfläche der gläsernen Halle füllte, Holzer darf in der Bel Etage wie im Souterrain von K21 in Düsseldorf ihren Glauben verteidigen, sie könne mit dem Wort als Waffe die Welt verändern.

Seit den 1970er Jahren klagt Holzer in ihren „Binsenweisheiten“ Krieg, Gewalt und Machtmissbrauch an, warnt mit LED-Schriftbändern, auf Plakaten und Marmorbänken vor den Absurditäten der Welt.  Wie Kruger arbeitet auch sie sich an der amerikanischen Tagespolitik wie neuerdings am Ukraine-Krieg ab und protokolliert Kriegsverbrechen und Menschenrechtsverletzungen, Vergewaltigungen und willkürliche Angriffe durch russische Streitkräfte. Während ihre Kollegin die Besucher auf ihrem Werk herumlaufen ließ, darf der Besucher in Düsseldorf auf keiner der Marmorbänke sitzen und die Sentenzen ruhend erfühlen.

Frühe Sprechblasen

Die Kassandra von heute attackiert die Besucher mit 5000 Postern, die von Hand Stück für Stück an die Wände geklebt wurden. Im Souterrain sind sie mit wechselnder Beleuchtung angestrahlt, so dass die Kunstgänger viel länger als üblich die Ausstellung entziffern.

Ihre frühen Sprechblasen kommen banal daher und mutieren zu Schlachtrufen gegen Intoleranz jeglicher Art. Die Tagesaktualität gleitet erstaunlich leicht in eine grundlegende Zeitlosigkeit über, denn Machtspiele gibt es zu allen Zeiten auf der ganzen Welt. Die allerneuesten Arbeiten allerdings in der Bel Etage machen sprachlos. Hier zitiert die Amerikanerin unter Mithilfe ihres Teams staatlich sanktionierte Dokumente, die auf US-amerikanischen Militäraktionen im Irak und in Afghanistan in den frühen 2000er Jahren basieren und in ihrer unverhohlenen Brutalität bestialisch wirken. Wie ein Menetekel liegt in der Mitte dieser Installation ein säuberlich gewaschener Knochenhaufen, Symbol für all die Opfer, denen sadistisch bescheinigt wurde, dass sie eines natürlichen Todes gestorben seien. 

„Stirb schnell und lautlos, wenn sie dich verhören, oder lebe so lange, dass sie sich schämen, dich weiter zu foltern“, empfiehlt sie in ihren Abschriften aus derlei Kriegs- und Geheimdiensteinsätzen. Zugleich spielt sie die Gräueltaten der amerikanischen Truppen in einer subversiven Verwaltungssprache herunter und rückt auch noch den Handabdruck eines Toten oder ein geschwärztes Schriftstück in die Nähe von Tachismus und Minimal Art.

Goldener Löwe von Venedig

Unterkühlte Historienbilder vom Tod sind dies. Seit den 1970er Jahren plakatiert sie ihre Parolen und Binsenweisheiten (sogenannte „Truisms“), ohne Kartoffelpüree und Kleister zu benutzen. 1982 leuchteten sie am Times Square auf. Sie arbeitete mit der Graffiti-Künstlerin Lady Pink, entwarf Kunst am Bau und glänzt noch heute im Deutschen Bundestag.

Sie triumphierte auf der Biennale von Venedig, wo sie den Goldenen Löwen für eine eher zarte Arbeit erhielt, die sich mit den Ängsten einer Mutter in dieser Welt beschäftigt. Im Kunstkompass ist sie zur Nummer 17 aufgestiegen.

Zu ihrer Vita nur so viel: 1950 wurde sie in Ohio geboren, wäre beinahe an der Rhode Island School of Design eine schlechte Malerin geworden, lebte auf als Stipendiatin des Whitney Museums und steht nun in New York seit über 40 Jahren für eine Kunst, die sich einmischt, Medienkritik übt und die Werbung unterwandert. Was erst jetzt bekannt wird, sind ihre deutschen Vorfahren, die sich bis ins 19. Jahrhundert im Rheinland zurückverfolgen lassen.

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