Ausstellung in Köln Kunst zum Spielen und Rutschen
Bonn · Retrospektive zu Isamu Noguchi im Kölner Museum Ludwig setzt Kontrapunkte zu minimalistischer Kargheit
Das Rheinland wurde seit den 1970er Jahren in der Skulptur durch den amerikanischen Minimalismus geprägt. Für den Düsseldorfer Galeristen Konrad Fischer war das praktisch, denn die Module, Kuben, Kästen und Platten konnten von fremder Hand hergestellt werden, so dass Künstler wie Carl Andre nur noch ein Ticket benötigten, um über den großen Teich zu kommen und ihre Ausstellung zu eröffnen. Fischer & Co. schufen ein so festgezurrtes Netzwerk, dass Außenstehende, wie der japanisch-amerikanische Bildhauer Isamu Noguchi (1904-1988), erst jetzt über das Museum Ludwig entdeckt werden. Die glanzvolle Schau wird von einer spielerischen Leichtigkeit begleitet, die sich fundamental von der amerikanischen Kunst der Zeit unterscheidet.
Patente für Lampen oder Babyphone
Obwohl er dreimal auf der documenta ausstellte, auf der Biennale von Venedig den US-amerikanischen Pavillon bespielte und mit den berühmtesten Architekten der Zeit kooperierte und für so bedeutende Tänzerinnen wie Martha Graham ganze Bühnenräume entwarf und jede Menge Patente für Dinge wie Lampen oder Babyphone anmeldete, erhält Noguchi erst über 30 Jahre nach seinem Tod die erste Retrospektive in Europa. Und selbst sie ist einem Zufall zu verdanken. Die stellvertretende Museumschefin in Köln, Rita Kersting, leitete von 2012 bis 2016 die zeitgenössische Kunst im Israel-Museum von Jerusalem. Dort schaute sie täglich auf den von Noguchi gestalteten Billy Rose Kunstgarten, der 1965 parallel zum Museumsbau eingerichtet wurde und zu den schönsten Skulpturengärten des 20. Jahrhunderts gehört. Er verbindet eine orientalische Landschaftsgestaltung mit dem Ambiente der Berge und dient als Schauplatz für Skulpturen im Freien.
Die nützlichen Dinge in der Kunst
Noguchi hielt nichts vom Minimalismus mitsamt seiner Kargheit, er liebte die Schönheit, die nützlichen Dinge der Kunst, die Plastiken, Möbel und Spielplätze. Seine Entwürfe wie seine ausgeführten Anlagen zeugen von einer Leichtigkeit, die wie zufällig die Investoren-Architektur in den Städten aus den Angeln hebt. Die knallrot lackierte Kurvenbahn aus Stahl wurde eigens für die Ausstellung neu angefertigt. Dank einer unlimitierten Edition kann sie von jeder Stadt als Kunst am Bau angefertigt werden, zur Freude der Kinder, die auf dem Asphaltboden der Gegenwart bekanntlich wenig zu lachen haben. Es versteht sich, dass sie sogar im Museum gestreichelt werden darf.
Vieles an Rutschen, Lampen und Möbeln ging in Serie und ist noch heute lieferbar. Sein ausgeklügelter Schachtisch von 1944 wie der geschwungene, leicht wirkende Coffee-Table oder der Hocker Rocking Stoll von Möbelproduzenten wie Herman Miller oder Knoll International weiterhin reproduziert. Seine Tisch-, Steh- und Deckenleuchten sind auch ein halbes Jahrhundert nach ihrer Erfindung noch so beliebt, dass sie sein privates Noguchi-Museum finanzieren. Seine legendären Akari-Leuchten aus dem dünnen Shoji-Papier aus der Rinde des Maulbeerbaums ist der Renner. Im Augenblick gibt es sogar Lieferschwierigkeiten.
„Alles ist Skulptur“ galt als sein Leitmotiv. Stets suchte er dabei nach der Verbindung von Kunst und Leben, in Europa, Asien und Amerika. Er ließ sich weder technisch noch stilistisch einordnen, liebte prähistorische Kultstätten wie römische Arenen und barocke Plätze, kannte sich als ehemaliger Assistent von Constantin Brâncuși und als enger Mitarbeiter von Buckminster Fuller in allen Materialien vom Holz über den Stein bis zum Metall aus und rettete die dadaistische Leichtigkeit über zwei Weltkriege hinweg. Erst im Alter wurde er berühmt, aber leider auch von vielen Konkurrenten in die Ecke gedrängt. Unendlich viele seiner bedeutenden Entwürfe überdauerten lediglich in irgendwelchen Schubladen. Nun, da selbst die Museen lernen, ihre Museenstüren zu öffnen, kommt seine Wiederentdeckung zur rechten Zeit. Seine Suche nach der Verbindung von Kunst und Leben ist hochaktuell.
Museum Ludwig, Köln; bis 31. Juli. Dienstag bis Sonntag 10 bis 18 Uhr. Die Retrospektive organisierten das Barbican in London, das Museum Ludwig in Köln, das Zentrum Paul Klee in Bern und das Lille Métropole Musée d’art moderne, d’art contemporain et d’art brut. Die Ausstellung wandert dann nach Bern und Lille. Informativer Katalog bei Prestel.