Benin-Bronzen Kunstwerke sollen aus „Blut-Metall“ bestehen

Bonn · An Objekten aus Benin klebe Blut, kritisieren Nachfahren der Sklaven aus Westafrika und lehnen eine pauschale Rückgabe der Kulturgüter ab. Bonner Provenienzforscher Christoph Zuschlag erklärt die Problematik.

 Symbolischer Moment: Abba Isa Tijani (links) mit Claudia Roth und Annalena Baerbock (rechts) bei den Rückgabe von 20 Benin-Bronzen aus deutschen Museen am 20. Dezember 2022 an Nigeria. 

Symbolischer Moment: Abba Isa Tijani (links) mit Claudia Roth und Annalena Baerbock (rechts) bei den Rückgabe von 20 Benin-Bronzen aus deutschen Museen am 20. Dezember 2022 an Nigeria. 

Foto: dpa/Annette Riedl

Es war ein Akt von hoher Symbolkraft, als Bundesaußenministerin Annalena Baerbock und Kulturstaatsministerin Claudia Roth wenige Tage vor Heiligabend nach Nigeria reisten, um 20 kostbare Benin-Bronzen aus deutschen Museen zurückzugeben. Es ist der Auftakt zu einer Rückführung (Re­stitution) von Kunstwerken aus kolonialem Kontext. Ein heißes, ein schwieriges Thema, wie der Kunsthistoriker Christoph Zuschlag, Inhaber des Lehrstuhls für Provenienzforschung an der Universität Bonn, einräumt. Es zeichne sich ab, dass es in den kommenden Jahren vermehrt zu Restitutionen kolonialer Kulturgüter kommen werde, schrieb er unlängst über einen Restitutionsfall in Namibia. „Dabei tut sich ein spezifisches Problem auf: Während bei NS-Raubgut kein Zweifel daran besteht, dass die vormaligen rechtmäßigen Eigentümer bzw. deren individuelle Erben die richtigen Adressaten einer Restitution sind, stellt sich die Lage bei Gegenständen aus kolonialen Kontexten deutlich komplexer dar.“

Zuschlag erläutert: „Die heutigen Nationalstaaten, mit denen die Rückgabeverhandlungen geführt werden, sind in der Regel nicht oder nicht vollständig mit den ehemals kolonisierten Stammesgebieten und Königtümern identisch, zudem fühlen sich die Urheber- und Herkunftsgesellschaften nicht immer von der Zentralregierung repräsentiert.“

Verschiedene Ansprüche

„Das hier skizzierte Problem gilt auch für die Benin-Bronzen“, sagte Zuschlag dieser Zeitung, „Deutschland hat das Eigentum an den Staat Nigeria übertragen, aber sowohl Angehörige und Anhänger der ehemaligen Königsfamilie (die Bronzen entstanden ja am königlichen Hof des Oba in der Stadt Benin) als auch Nachfahren westafrikanischer Sklaven melden Ansprüche an.“

Letztere dürften auf die Bilder mit Baerbock und Roth in Nigeria empfindlich reagiert haben. Die „Restitution Study Group“ vertritt die Rechte von Nachfahren westafrikanischer Sklaven. Die klagen nun, dass an etlichen Benin-Bronzen Blut klebe: Sie seien aus dem „Blut-Metall“ gegossen worden, das einst beim Sklavenhandel in Westafrika eingenommen wurde. Die New Yorker Gruppe lehnt folgerichtig eine pauschale Rückgabe der Bronzen ab. Und öffnet damit ein neues Kapitel unserer Kolonialgeschichte.

Kunstraub der britischen Kolonialtruppen

Kapitel eins, weswegen jetzt Baerbock und Roth nach Nigeria reisten, reicht zurück ins Jahr 1897, als britische Kolonialtruppen den Königspalast von Benin stürmten und die königlichen Schätze konfiszierten. Die Stücke wurden großteils in London versteigert, um, wie es hieß,  die Kosten der Invasion zu decken. Es wird von 3000 bis 5000 erbeuteten Objekten ausgegangen, die damals nach Europa und in die USA gelangten. Alleine in Deutschland gibt es mehr als 1000 Objekte in Museen. Seit den 1930er Jahren fordern Benin und später der seit 1960 unabhängige Staat Nigeria die Rückgabe. Seit 2021 kommt der Prozess in Deutschland endlich in Gang.

Kapitel zwei der Benin-Bronzen eröffnet ein ganz neues, komplexes Feld: Lange vor der Plünderung durch die britische Kolonialmacht beteiligte sich das Königreich Benin am transatlantischen Sklavenhandel. Europäische Sklavenhändler tauschten in Benin Menschen gegen Manillen ein. So nennen sich Armreifen aus Metall. Solche Manillen seien laut Recherchen der „Restitution Study Group“ eingeschmolzen worden – und daraus sollen Benin-Bronzen gegossen worden sein. 

Keine Rückgabe an Nachfahren der Sklavenhändler

Nicht alle, wie Deadria Farmer-Paellmann, Direktorin der „Restitution Study Group“, dem NDR sagte: Aber die Benin-Bronzen aus dem 16. bis 19. Jahrhundert seien aus dem „Blut-Metall“ der Sklavenhändler produziert worden. „Wir glauben, dass Deutschland das richtige tut, die Benin-Bronzen aus der Zeit vor dem Sklavenhandel zurückzugeben, also die aus dem 12. bis 15. Jahrhundert.“, sagte Farmer-Paellmann.

Sie will verhindern, dass die Erben der Sklavenhändler in den Besitz zurückgegebener Benin-Bronzen kommen. Nigeria habe nie mit dem Sklavenhandel aufgehört, lautet der Vorwurf. Ein anderer: Bronzen seien bis 1897 bei Menschenopfer-Ritualen verwendet worden. Schließlich misstraut Farmer-Paellmann den Strukturen im nigerianischen Staat: Es seien bereits viele Bronzen an Nigeria zurückgegeben worden – und verschwanden in obskuren Kanälen. Allein im Nationalmuseum Benin sollen 150 Kunstwerke verschwunden sein.

Wie damit umgehen? Nach welchen Kriterien soll die Rückgabe erfolgen? „Eine einfache und eindeutige Lösung gibt es nach meinem Dafürhalten in solchen Fällen nicht. Es spielen ja immer komplexe moralisch-ethische und politische Erwägungen und Aspekte eine Rolle“, sagt der Bonner Provenienzforscher Zuschlag.

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