Ausstellung in Brühl Malerei mit Überraschungseffekt

Bonn · Brühler Max-Ernst-Museum zeigt die surrealen Interieurs und Architekturbilder von Karin Kneffel. In jedem Bild steckt eine Falle.

 In diesem Bild von Karin Kneffel stimmt einiges nicht.

In diesem Bild von Karin Kneffel stimmt einiges nicht.

Foto: Achim Kukulies

Von dem Comic-Held Lucky Luke, der im Wilden Westen Bösewichten auf der Spur war, hieß es immer: „Der zieht schneller als sein eigener Schatten.“ Weiß die Malerin Karin Kneffel zu berichten. Bei dem Dalmatiner, den sie 2007 malte, ist die Spiegelung auf dem Boden schneller als der liegende Hund. Das Spiegelbild blickt den Betrachter an, während der Kopf des gemalten Dalmatiners noch oder schon wieder flach auf dem Boden liegt. Nicht die einzige Irritation: In ihrem realistisch gemalten Interieur liegt die Perspektive der oberen Zone auf Höhe des Hundes, wir liegen gewissermaßen mit ihm auf dem spiegelnden Boden. Der stark geblümte Sessel in der unteren, vorderen Zone suggeriert eine andere Perspektive: Wir stehen gewissermaßen dahinter. Alle Brüche im Bild nimmt man erst nach und nach wahr – so wie es bei vielen Arbeiten Kneffels ist, die man zunächst als perfekt gemalte Einheit wahrnimmt, die dann aber in einzelne Sphären zerfällt. Jedes Detail ist aber in sich plausibel und das Gesamtbild passt – irgendwie.

Entdeckung der Langsamkeit

Darauf legt Kneffel großen Wert, wie sie anlässlich der Präsentation ihrer Ausstellung im Brühler Max-Ernst-Museum „Im Augenblick“ am Freitag sagte, gesteht aber auch: „Bei mir geht gar nichts schnell.“ Ihre in vielen Schichten präzise gemalten Gemälde und Aquarelle, die Auswahl der Motive – meist Fotos oder Filmsequenzen –, die innere Dramaturgie der Bilder mit verschiedenen Ebenen, Details, die herausgehoben werden, die interessanten kunst- oder architekturhistorischen Anspielungen: All dies kostet Zeit, die sich die 65-jährige, ehemalige Meisterschülerin von Gerhard Richter, nimmt. Achim Sommer, Direktor des Max-Ernst-Museums, erzählt, dass in ihrem Atelier immer nur ein Bild stehe, das an dem sie gerade male. Der Rest sei verkauft, die Wartelisten seien lang.

Überraschungen im Bild platziert

So konzentriert und bedächtig wie Kneffel malt, könnte man an die Zeitlupe denken, eine Technik, die den Kino-Fan Kneffel fasziniert. Am besten durchstreift man ihre Bilder in Zeitlupe, nur so erfasst man alle Überraschungen, die die Malerin dort platziert hat: Etwa in dem Großformat, das eine Besuchergruppe in einem Museum zeigt, die sich vor Velázquez‘ Meisterwerk „Las Meninas“ versammelt hat. Kneffel malt dieses Bild so raffiniert, dass die Figuren des Spaniers lebendig zu werden scheinen und man nicht zu erkennen vermag, wo die Grenze zwischen dem Meisterwerk und dem Publikum liegt. Alles bewegt sich in einem Farbraum, auf einer Realitätsebene.

Eine leichte Unschärfe legt sich über die Museumsszene. Richtig scharf sind in diesem Bild ein gemalter Wassertropfen und die Silhouette eines Smileys, die in vorderster Schicht zu sehen sind – wie Verunreinigungen auf einem Papierfoto, die man mit der Hand wegwischen könnte. Immer wieder legt Kneffel solche Zonen zwischen das Bild und den Betrachter. Sie wolle ihn auf Abstand halten, seinen Blick dirigieren und ihm Fallen stellen, sagt sie. Sie fordert höchste Konzentration von den Besuchern: „Sie sollen sich nicht in meinen Bildern verlieren, sie sollen sich damit beschäftigen.“ 

Gemalte Architekturträume

Und so folgt man ihr in die gemalten Architekturträume, die von historischen Fotos von Bauten Ludwig Mies van der Rohes inspiriert wurden. Sie sieht sie, „und die Fantasie entzündet sich“. Absolut begeistert verfolgt man ihr malerisch virtuoses Vexierspiel mit dem Haus Esters und Haus Lange (Krefeld), zwei Bauhaus-Ikonen von Mies. Im Barcelona-Pavillon des Meisters hat sie Studien betrieben. Spannend zu sehen, was sie aus einem Besuch des Seagram Building in New York macht, das Mies zusammen mit Philipp Johnson gebaut hat: Sie zeigt das lichtdurchflutete „Four Seasons Restaurant“ mit „Hope“-Bildern von Robert Indiana und einem Bediensteten, der auf einer Bank ein Nickerchen macht. Kneffel spricht von einem „magischen Moment“. Viele solche gibt es in der mit 80 Arbeiten üppig bestückten Ausstellung.

„Malerei hat viel mit angehaltener Zeit zu tun“, sagt Kneffel, die gleichwohl ein großes Faible fürs Kino und für Hitchcock hat. Wunderbar, wie sie eine Szene aus „Der Mann, der zu viel wusste“ immer wieder und aus verschiedenen Perspektiven betrachtet. Ein gemalter Krimi.

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