Hermann Schäfer zum 80. Man muss das Publikum erreichen
Bonn · Hermann Schäfer, der ehemalige Präsident der Stiftung Haus der Geschichte, blickt zu seinem 80. Geburtstag zurück auf die Anfänge und das abrupte Ende seiner Karriere.
Man solle den „Schäfer nicht vor seinen Schafen loben“, witzelte Karin Hempel-Soos, damals Chefin des Bonner Hauses der Sprache und Literatur, über Hermann Schäfer, damals Präsident des Bonner Hauses der Geschichte. Es gab noch viel weiteres Lob für den Gründungsdirektor des Hauses der Geschichte bei der offiziellen Party zu dessen 60. Geburtstag im Jahr 2003. Und später dazu eine Strafanzeige. Schäfer wurde bezichtigt, auf Kosten des Bundes gefeiert zu haben, was sich letztlich als gegenstandslos erwies. „Es war ein rein offizieller Abend, zu dem der damalige Kuratoriumsvorsitzende Nevermann eingeladen hatte“, sagte Hans Walter Hütter, 2007 Nachfolger von Schäfer im Präsidentenamt, „alles ist ordnungsgemäß verbucht bis auf den letzten Cent.“
Stress bis zur letzten Minute
Der Jubilar, der gerade 80 geworden ist und in Bonn-Rüngsdorf lebt, erinnert sich gut an seinen 60. und was danach geschah. Der Historiker und Anglist, der in Frankfurt, Bonn und Freiburg studiert hat, erinnert sich aber auch noch sehr gut an seine Anfänge am Haus der Geschichte, an das er 1987 berufen wurde. Hütter war damals schon da. Mit seinem Team baute Schäfer dieses einzigartige Museum auf. Als das Haus in eine Stiftung umgewandelt wurde, berief man Schäfer zu deren Präsidenten.
1994 wurde das Haus eröffnet. Ein Foto vom Eröffnungstag zeigt einen gestressten Gründungsdirektor Schäfer. „Emotional angespannt, erwartungsvoll, sicher auch etwas nervös und hektisch, aber immer zuversichtlich“, skizzierte Schäfer seinen Status. Gegen zwei Uhr früh erst hatte er die Dauerausstellung verlassen. Ganz rechts in besagtem Foto: Hans Walter Hütter – auch er sicherlich erschöpft von den Strapazen, an deren Ende 7500 Objekte und 90 Medienstationen auf 4000 Quadratmetern ihren Platz gefunden hatten.
Medieneinsatz als bahnbrechendes Konzept
„Das Museum wurde auf einer völlig neuen konzeptionellen Ebene konzipiert“, sagt Schäfer heute auf die Frage, was rückblickend von der „Ära Schäfer“ bleibe. Das gelte vor allem für die Museumspädagogik und die Ausstellungstechnik. „Es hat noch nie ein Museum in Deutschland gegeben, dass so viele Medien eingesetzt hat, wie wir damals“, erzählt er, „für mich war es erstaunlich, dass sich der wissenschaftliche Beirat des Hauses überhaupt nicht mit Medien befasst hatte.“ Er habe völlig freie Hand gehabt und habe Ermutigung durch den sehr angesehenen Politikwissenschaftler und Zeithistoriker Hans-Peter Schwarz und Horst Möller, damals Direktor des Instituts für Zeitgeschichte in München, erfahren. Schwarz hatte in den USA mitbekommen, wie dort mit modernen Medien Ausstellungsinhalte populär vermittelt wurden und lud Schäfer ein, sich dort inspirieren zu lassen.
Schäfer führte im Haus der Geschichte das Thema Besucherorientierung ein, „was so in Deutschland auch noch niemand gemacht hatte“: Testen, evaluieren, mit externen Sachverständigen herauszufinden versuchen, zu antizipieren, was man richtig und falsch machen könne. „Wirkungsforschung war mein Anliegen“, erzählt er. „Viele Direktoren meinen, das wichtigste sei, wissenschaftlich zu arbeiten. Die Aufgabe aber ist, zu vermitteln und das Publikum zu erreichen“, erzählt der promovierte und habilitierte Historiker.
Man muss die Konzeption immer wieder überdenken
Spannend war eine Untersuchung über jene, die nicht ins Museum gehen, immerhin ein Drittel der Bevölkerung. Die Gründe: Manche wissen gar nicht, was ein Museum ist, andere haben Angst, das Gezeigte nicht zu verstehen, der Rest fürchtet, dass der Besuch zu teuer ist. „In der Museumsarbeit stößt man an Grenzen, muss die Konzeption immer wieder überdenken, zielgruppenspezifisch anpassen“, lautet Schäfers Fazit.
Als seine beste Ausstellung bezeichnet er „Flucht und Vertreibung“, die letztlich zur Gründung des Zentrums gegen Vertreibung geführt hatte. Schäfer wechselte nach seinem Abschied vom Amt des Präsidenten des Hauses der Geschichte Anfang 2006 als Ministerialdirektor ins Bundeskanzleramt, wo er Leiter der Abteilung Kultur und Medien, sozusagen Vize-Kulturstaatsminister wurde. Nach einem Eklat – am 25. August 2006 hatte er in der Funktion anlässlich einer Gedenkstunde für die Opfer des KZ Buchenwald in Weimar eine Rede gehalten, in der er zwar über Vertreibung und Flucht der Deutschen sprach, jedoch nicht die Opfer des KZ erwähnte und würdigte („Aufhören“-Rufe der Zuhörer zwangen Schäfer zum Abbruch der Rede) – wurde Schäfer in den Ruhestand versetzt. Hinzu kam damals ein Disziplinarverfahren wegen seiner Geburtstagsfeier 2003.
Schäfer Arbeitete als freier Berater, wurde Anfang 2009 Mitglied im Vorstand der Stiftung von Peter-Tamm senior und Direktor des Internationalen Maritimen Museums Hamburg. Ende des Jahres 2009 trennte man sich, die Differenzen waren nicht zu überbrücken.
Bleierne Schwere
Schäfer geht noch immer gerne ins Haus der Geschichte „wenn wenig Betrieb ist“. Zu kritisieren hat er allein die lange Laufzeit der Wechselausstellungen, nicht nur beim Haus der Geschichte. „Das ist leider ein Trend in vielen Häusern“, sagt er, „es fehlen auch richtig gute Ideen für Ausstellungen, alle werden immer bescheidener in ihrem Anspruch, die eigenen Sammlungen zu präsentieren“.
Schäfers hartes Urteil: „Es hängt eine bleierne Schwere in der Museumsluft“, Corona habe die Situation verschärft: „Die Leute haben sich abgewöhnt, fleißig in die Museen zu gehen, und manchmal fragt man sich, ob auch die Museumsleute in eine Apathie gerutscht sind.“ Er vermisst neue, gute Ideen.
Ob es ihm noch in den Fingern jucken würde, er Lust aufs Ausstellungsmachen habe? „Ich schreibe jetzt Bücher“, winkt der 80-Jährige ab. Sehr erfolgreich war sein Buch „Deutsche Geschichte in 100 Objekten“, das sogar in seiner chinesischen Übersetzung ein Hit war. Im Moment schreibt er über Rotarier, die im Dritten Reich verfolgt wurden. Außerdem hat Schäfer „einige Beratungsmandate“ und „manchmal ruft jemand an, der meine Meinung wissen will“.