“Rückblende“ im Haus der Geschichte Manchmal hilft nur noch ein Joint

Satirisches und Bedrohliches bei der Ausstellung „Rückblende“ im Bonner Haus der Geschichte mit Arbeiten zum Wettbewerb für politische Fotografie und Karikatur. Preis für GA-Zeichner Burkhard Mohr.

 Dritter Preis für den GA-Karikaturisten Burkhard Mohr.

Dritter Preis für den GA-Karikaturisten Burkhard Mohr.

Foto: Rückblende

Skeptischer Blick zurück und in die Zukunft: Lars Bergs Foto von Frank-Walter Steinmeier eröffnet die Ausstellung „Rückblende“ im Bonner Haus der Geschichte. Man sieht den Bundespräsidenten in einem Keller im ukrainischen Yahidne. Dort hatten russische Soldaten etliche Bewohner gefangengehalten. Mit Kohle wurden die Namen der Verstorbenen mit Datum an die Wand geschrieben. Ein beklemmendes, sehr privat anmutendes Porträt, das Erschütterung und Ratlosigkeit verrät. 198 Bildjournalisten und 64 Karikaturisten haben Arbeiten für den renommierten Preis „Rückblende“ für politische Fotografie und Karikatur eingereicht, den die Landesvertretung Rheinland-Pfalz, der Bundesverband Digitalpublisher und Zeitungsverleger sowie die Bundespressekonferenz ausloben. Die Jury hatte es bei dem starken Foto- und Karikaturenjahr 2022 sicherlich nicht leicht, Preisträger zu küren. Kanzlerinnenabschied (noch 2021) und Regierungswechsel, der russische Überfall auf die Ukraine und eine neue Fluchtbewegung, Aktionen der Klimaaktivisten der „Letzten Generation“ und Massendemonstrationen im Iran: Das waren hochdramatische und polarisierende Themen.

Kriegsängste und Furcht vor der Öko-Katastrophe

Die Jury entschloss sich, den ersten Preis für Fotografie zu teilen.  Als „gleich wichtig, gleichwertig“ stufte Jurymitglied Mathis Feldhoff, Vorsitzender der Bundespressekonferenz, die Fotos von Bernd Kammerer und Boris Roessler ein. Hier der Blick auf den abendlichen Römerberg in Frankfurt, wo tausende Menschen bei einer Ukraine-Solidaritätsdemo auf einem Screen der Botschaft von Wolodymyr Selenskyj folgen. Dort der Blick von oben auf einen niedergebrannten Wald bei Münster und eine Wegkreuzung, an der sich sechs Feuerwehrwagen treffen. In mehreren Teilen Deutschlands war es nach langer Trockenheit zu großen Waldbränden gekommen. Kriegsängste treffen im Bild auf untrügliche Zeichen für eine Öko-Katastrophe. Zwei Themen, die alle bewegen, wurden prägnant und ästhetisch unbedingt gelungen umgesetzt.

Das Greser & Lenz bekam für sein bitterböses Blatt „Putin privat“ den Ersten Preis für Karikatur.

Das Greser & Lenz bekam für sein bitterböses Blatt „Putin privat“ den Ersten Preis für Karikatur.

Foto: Rückblende

Filip Singer erhielt für seine ergreifende Bildreportage über Ukraine-Flüchtlinge aus Odessa, die in Berlin nach jüdischem Ritus heiraten, den Preis „Beste Serie 2022“. Die Auszeichnung „Das scharfe Sehen 2022“ ging an Florian Gaertner für ein spannendes Bild: Wir sehen Schattenrisse von zwei Männern im Garten des Kanzleramtes in Berlin. Man erkennt sofort die Silhouetten der Köpfe: Es sind die von Robert Habeck und Christian Lindner am Rande der Regierungsklausur Ende Januar 2022. Gelungen auch das Foto, das den Publikumspreis erhielt: Eine junge, rauchende Frau protestiert in Berlin gegen die Machthaber im Iran. Markus C. Hureks Kamera fokussiert die Frau, hebt sie in seinem Schwarz-Weiß-Foto aus dem unscharfen Umfeld mit Protestierenden und Plakaten heraus.

Hohes Niveau bei den Karikaturen

Auch auf dem Feld der politischen Karikatur war das Niveau der eingereichten Arbeiten hoch. Die Jury gab dem Duo Greser & Lenz den hoch verdienten ersten Preis für das bitterböse Blatt „Putin privat“: Man sieht den klein gewachsenen Diktator im Bademantel mit seinen dünnen Beinchen über den roten Teppich durch seinen protzigen Amtspalast schreiten. Dem salutierenden Soldaten ruft er ein „Igor, richten Sie mir ein Blutbad an“ zu. Ähnlich makaber Klaus Stuttmanns gruselige Replik auf den berühmten langen Tisch, an dessen Kopf Putin selbst sitzt und sein jeweiliger Gast meilenweit entfernt am anderen Ende platziert wird. Beim Karikaturisten ist der Tisch ein langer Sarg, an dem Putin mit nacktem Oberkörper als tragischer Macho alleine sitzt: „Stolz auf seinen neuen Tisch“, so der Titel.

Der dritte Preis ging an den den in Königswinter lebenden GA-Karikaturisten Burkhard Mohr. Er zeigt die reichlich zugedröhnten Köpfe der rot-grün-gelben Koalition bei einer lustigen Prozession, die Gesundheitsminister Karl Lauterbach mit einem riesigen Joint in der Hand anführt. Sarkastischer Titel dieses bildlichen Kommentars zur eingeschränkten Legalisierung von Cannabis: „Die Ampel nimmt Fahrt auf.“ Viel Rauch um nichts. Katharina Greve holte sich mit ihrer sarkastischen Zeichnung den Publikumspreis. Sie zeigt einen im Meer stehenden Berg mit folgender Sprechblase: „...beenden wir den Klimagipfel 2050 hier auf dem Großglockner und vertagen alle Beschlüsse auf das nächste Treffen auf dem Kilimandscharo.“ Das sitzt.

Haus der Geschichte; bis 4. Juni. Di-Fr 9-19, Sa, So 10-18 Uhr. Eintritt frei. Sämtliche Arbeiten: www.rueckblende.rlp.de

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