Neu im Kino "Mary Shelley" - Geburt des modernen Prometheus

Bonn · Der Film „Mary Shelley“ erzählt die Entstehungsgeschichte des Schauerromans „Frankenstein“. Ein konventionell geratenes Porträt einer Frau, die schon in jungen Jahren die gesellschaftlichen Normen selbstbewusst durchbrochen hat

Inspiration auf dem Friedhof: Elle Fanning als Mary Shelley.

Inspiration auf dem Friedhof: Elle Fanning als Mary Shelley.

Foto: dpa

Nichts von Substanz habe sie bisher geschrieben, erklärt die junge, angehende Schriftstellerin. Was das für sie bedeute, wird sie gefragt. „Alles, was einem das Blut gerinnen und das Herz mit einem Mal schneller schlagen lässt“, antwortet Mary (Elle Fanning) – und genau das wird ihr schon bald gelingen.

Gerade einmal 19 Jahre alt war Mary Shelley, als sie „Frankenstein oder Der moderne Prometheus“ schrieb – ein Meilenstein der Schauerliteratur, der auch auf die Filmgeschichte großen Einfluss hatte. Zuerst wurde der Roman im Jahre 1818 anonym veröffentlicht, weil die Verleger nicht glauben wollten, dass eine junge Frau ein solches Werk von düsterer Tiefsinningkeit verfasst haben könnte. In ihrem Biopic „Mary Shelley“ geht Regisseurin Haifaa Al Mansour der Entstehungsgeschichte des Romans nach und zeichnet ein Porträt der jungen Autorin, die ihre eigenen schmerzhaften Lebenserfahrungen literarisch verarbeitet hat.

Auf den Friedhof ans Grab ihrer Mutter zieht sich die Jugendliche zurück, wenn sie ihre ersten Schreibversuche unternimmt. Die Mutter Mary Wollstonecraft starb zehn Tage nach ihrer Geburt und war ebenfalls Schriftstellerin und mit frühen feministischen Werken und einem freiheitlichen Lebensstil ihrer Zeit weit voraus.

Dramatische Entwicklung

Ihr Vater William Goswin (Stephen Dillane) war in jungen Jahren der Mitbegründer der anarchistischen Bewegung und betreibt nun eine kriselnde Buchhandlung in London. Den Hang seiner Tochter zu Schauergeschichten missbilligt er genauso wie deren Beziehung zu dem verheirateten Schriftsteller Percy Shelley (Douglas Booth). Dennoch brennen die beiden durch und nehmen Marys Halbschwester Claire (Bel Powley) gleich mit. Aber schon bald gerät Mary mit dem bekennend polygamen Lebensgefährten an die Grenzen der wilden, freien Existenz, die sie sich an dessen Seite erträumt hat. Als sie schwanger wird und das kranke Kind nach einer überstürzten Flucht vor Gläubigern stirbt, scheint ihr Lebensmut zu zerbrechen.

Vom legendären Lord Byron (Tom Sturridge) wird das Paar in eine Villa am Genfer See eingeladen. Während die Herren sich in Trinkgelagen vergnügen, schreibt sich Mary in stürmischen Nächten den Schmerz von der Seele.

„Mary Shelley“ ist ein konventionell geratenes Porträt einer Frau, die schon in jungen Jahren die gesellschaftlichen Normen selbstbewusst durchbrochen hat. Mansour konzentriert sich zu sehr auf die Liebesleidensgeschichte, die recht zähflüssig auserzählt wird. Andere Einflüsse und Verlusterfahrungen, die in den schriftstellerischen Schaffensprozess eingeflossen sein mögen, treten dabei in den Hintergrund. Dass sich Mary am Schluss bei ihrem unsteten Geliebten für die kreativitätsfördernden Leiderfahrungen quasi bedankt, ist dann doch ein bisschen dick aufgetragen.

Auch auf visueller Ebene kommt dieser klassische Ausstattungsfilm recht betulich daher und schafft es nicht, ins Herz der Finsternis von Shelleys Vorstellungswelten einzudringen.

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