Divertissementchen in Köln Maskenball beim Zillchen

Köln · „Napoleon en Kölle“: Das Divertissementchen der Cäcilia Wolkenburg trotzt in Köln tapfer der Pandemie. Auch Bonns Ex-OB Jürgen Nimptsch ist wieder dabei.

  Szene aus dem Divertissementchen.

Szene aus dem Divertissementchen.

Foto: Thomas Brill

Dieser Besuch von „Napoleon en Kölle“ steht unter keinem guten Stern: Im vergangenen Jahr wurde er abgeblasen, und die Cäcilia Wolkenburg stemmte kurzerhand „Corona Colonia“ aus dem Boden – das aber nur als Live-Stream gezeigt werden konnte. In diesem Jahr fiel kurz vor der Premiere krankheitsbedingt einer der Hauptdarsteller aus. Kurzerhand sprang Regisseur und Autor Lajos Wenzel, von 2012 bis 2017 stellvertretender Intendant des Jungen Theaters Bonn, ein – und lieferte ein Kabinettstück ab in der Kunst, Spickzettel auf der Bühne des Staatenhauses unterzubringen. Chapeau! Doch viel arger als ein erkrankter Akteur wirkt sich die pandemiebedingte Maßgabe aus, dass das rund 100-köpfige Ensemble auf der Bühne dauerhaft Masken tragen muss. Zwar kommen die durch Mikroports verstärkten Stimmen in den Ohren der Zuschauer an. Aber bei manchen Gruppenszenen musste man sich arg konzentrieren, um mitzubekommen, wer da jetzt gerade spricht oder schmettert. Und schon im Alltag fehlt uns die Mimik unserer Gegenüber – auf der Bühne ist es geradezu fatal, wenn man das Gesicht des Schauspielers nicht sieht. Doch das Zillchen wäre nicht das Zillchen, wenn es nicht das Beste aus der Situation machen würde.

Eine Romeo-und-Julia-Geschichte

Das versuchen im Stück auch die Kölner des Jahres 1804: Honoratioren rund um Ferdinand Franz Wallraf (über die Maße staatstragend: Jürgen Nimptsch) nutzen die Besatzung durch die Franzosen nicht nur, um die Stadt von Ratten zu befreien und Straßenbeleuchtung und Hausnummern einzuführen, sondern auch, um den Klerus in seine Schranken zu weisen.

 Regisseur Lajos Wenzel wird ab Sommer 2023 Intendant des Stadttheaters Trier.

Regisseur Lajos Wenzel wird ab Sommer 2023 Intendant des Stadttheaters Trier.

Foto: Promo

Parallel dazu hat Autor Wenzel eine Romeo-und-Julia-Geschichte zwischen dem französischen Soldaten Mathieu (als Einspringer Lajos Wenzel) und einem lecker Kölschen Mädchen Nieß (putzig: Patrick Lacroix) gezaubert, inklusive der mopsfidelen Amme, die Simon Wendring mit Hingabe verkörpert. 

Dazu wird gesungen und getanzt, zu dem fürs Divertissementchen typischen wilden Mix aus Klassik, Oper, Schlager, Pop und Kölschen Tön. Und wie nicht anders zu erwarten sind die Ensemblenummern, wenn der Chor in Mannschaftsstärke antritt, hinreißend. Aber es gibt auch schöne Duette und starke Soli, allen voran der Auftritt von Martin Hillebrand als die Schenke betreibender Mönch – von ihm hätte man gerne mehr gehört.

Viel Herzblut

Natürlich kann man bei einem Laienensemble keine durchgängig hundertprozentige Leistung erwarten – im Gegenteil, es macht einen Teil des Charmes aus, den dieser Abend verströmt, dass nicht alles perfekt ist und so manche Regieanweisung oder Choreographie höchst eigenwillig interpretiert wird. Am Ende der Vorstellung ist man wie jedes Jahr davon beeindruckt, wie viel Aufwand hier betrieben wird, wie viel Herzblut zum Einsatz kommt.

Doch man muss es einfach sagen, dieses Engagement würde besseres Material und in diesem Bereich einfach mal frischen Wind verdienen. Die Geschichte ist in ihrer Grundstruktur gut, in der Ausführung leider mau. Inhaltlich jongliert  Wenzel letztlich mit zu viel kölscher Betulichkeit und reichlich alt bekannten Versatzstücken, um nicht zu sagen Plattitüden. Aktuelle Anspielungen auf Corona, Kirche oder Gendern wirken fast ein wenig aufgesetzt.

Aber auch handwerklich gibt es Mängel: Manche Szene versandet, mancher Übergang gerät mehr als nur holprig. Und man fragt sich, warum die französischen Soldaten Kölsch sprechen.

Das alles könnte die Musik rausreißen – doch es wird mit gebremstem Schaum getrommelt und gepfiffen. Den Arrangements (Thomas Guthoff) fehlen Pfiff und Pfeffer. Die kölschen Liedtexte (Johannes Fromm, Manfred Schreier) mögen zwar auf dem Papier Sinn machen. Aber wenn man Kracher wie „Atemlos durch die Nacht“ oder „Voulez-vous coucher avec moi“ bemüht, sollte das Publikum die Chance haben, zumindest beim Refrain einzustimmen – den Masken zum Trotz.

160 Minuten (inkl. Pause). Bis 1. März, Di bis Fr 19.30 Uhr, Sa 16 Uhr, So 11 und 16 Uhr. Karten-Tel. 0221/221 28400.

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