Konzert in der Kölner Philharmonie Messiaens Garten der Liebe

Bonn · Jubel für das Simón Bolívar Symphony Orchestra of Venzuela unter Leitung von Gustavo Dudamel in Köln.

Es ist gut zehn Jahre her, dass Gustavo Dudamel und das Simón Bolívar Youth Orchestra ihr Publikum bei ihrem Debüt beim Bonner Beethovenfest überwältigten. Die damalige Tournee des Orchesters wurde zu einem regelrechten Siegeszug, Orchester und Dirigent erspielten sich Star-Status und das erfolgreiche, 1975 gegründete venezolanische Musikfördersystem „El Sistema“ war mit einem Schlag Legende. Mittlerweile sind die jungen Venezolaner erwachsen geworden. Dudamels kometenhafte Karriere hat ihn auf den Chefposten des LA Philharmonic katapultiert, auch die Berliner Philharmoniker laden ihn immer regelmäßig ein. Und das Orchester selbst führt den Begriff „Youth“ mittlerweile nicht mehr im Namen.

Derzeit touren die Venezolaner mit verschiedenen Programmen durch Europa. Für ihr Kölner Gastspiel hatten sie als einziges Werk Olivier Messiaens abendfüllende, zehnsätzige Turangalîla-Sinfonie vorbereitet, ein Werk von überbordender musikalischer und emotionaler Fülle, das einen riesig besetzten Orchesterpart mit ganz viel Schlagwerk, Vibraphon und diversen Glockenspielen erfordert. Zudem noch einen virtuosen Klaviersolopart, der mit der chinesischen Pianistin Yuja Wang luxuriös besetzt war, sowie die bis heute ziemlich exotisch anmutenden Ondes Martenot, die sozusagen aus den Kindertagen elektronischer Musikinstrumente stammen; sie fanden in Cynthia Millar, die noch bei Messiaens Frau Yvonne Loriod studierte, eine Meisterin.

Vor allem aber konnten die immer noch jungen Musiker aus Venezuela in der Sinfonie ihre unbändige Spiellust ausleben, wovon die Blechbläser in den brachialen Einwürfen der Introduktion schon eine beeindruckende Kostprobe gaben. In seiner Sinfonie hat Messiaen sich mit dem Tristan-und-Isolde-Mythos auseinandergesetzt. Sie ist der spektakuläre Mittelpunkt eines musikalischen Triptychons zu diesem Thema, sie ist Verinnerlichung und totale Entäußerung, mitunter auf engstem Raum, wie beispielsweise im dritten Satz „Turangalîla 1“, wenn ein vom Schlagwerk zart begleiteter Klarinettengesang plötzlich umschlägt in eine andere, beinahe martialische Klangsphäre mit ihren ostinaten Celesta und Glockenspielklängen. Im vierten Satz, dem „Liebesgesang“, folgt einer fein gewobenen rhythmischen Klangfläche plötzlich ein emotionales Aufbäumen, das an die goldenen Zeiten Hollywoods erinnert und vom elektronischen Pfeifen der Ondes Martenot gleichsam gekrönt wird. Dabei verstehen die Venezolaner zu überwältigen wie eh und je. Insbesondere in den rhythmischen Exzessen im fünften Satz, den Messiaen mit „Freude des Sternenblutes“ überschrieb. Hier holte der überaus genau und inspirierend dirigierende Dudamel schier Unglaubliches aus dem riesig besetzten Orchesterapparat heraus, ebenso wie im Freudentaumel des Finales. Und auch Yuja Wang, deren makellose Virtuosität ihrem Part eine selten zu hörende Klarheit verlieh, hatte einen riesigen Anteil am überwältigenden Eindruck der Sinfonie. Die berückendsten Momente bescherte aber der sechste Satz, der „Garten des Schlafes der Liebe“ mit seinen wunderbaren Bläsersoli.

Der letzte Akkord der Sinfonie war fürs Publikum in der fast ausverkauften Philharmonie das Signal, sich spontan aus den Sitzen zu heben. Erst nach minutenlangem Applaus entschloss man sich zu einer Zugabe und spielte zur Freude des Publikums das Lied „Alma Llanera“ des venezolanischen Komponisten Pedro Elías Gutiérrez.

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