Tipp: Miles Davis wiedergehört Miles wagt die Revolution

Bonn · In loser Folge an dieser Stelle: Kulturtipps für zu Hause aus der Feuilleton-Redaktion. Die Alben „Sorcerer“ und „Bitches Brew“ von Miles Davis als Wiedervorlage.

 Miles „Sorcerer“

Miles „Sorcerer“

Foto: Miles

In der vergangenen Woche starb die charismatische Cicely Tyson, Model und Schauspielerin, im Alter von 96 Jahren. Sie sei der Inbegriff von „Black is beautiful“, war in den Nachrufen zu lesen. Fotos zeigen, dass das nicht übertrieben war. Sie zeigen sie auch mit dem Jazz-Trompeter Miles Davis. Ein tolles Paar. Tyson begann, sich mit dem Trompeter in den 1960ern zu verabreden, als dieser sich von der Tänzerin Frances Davis scheiden lassen wollte. Als die Scheidung durch war, wollte Miles Tyson eigentlich heiraten, doch die erste Wahl fiel auf die Sängerin Betty. 1978 frischten Davis und Tyson ihre Beziehung auf, heirateten 1981 im Haus von Bill Cosby. 1988 wurde die Ehe geschieden.

Davis hat seine einstige Geliebte auf dem Cover von „Sorcerer“ von 1968 verewigt, das dritte Studio-Album des Trompeters und seines Quintetts. Das Titelstück schrieb Herbie Hancock. Die LP ist ein wunderbares Stück Bebop-Geschichte, das mit „Prince of Darkness“ von Wayne Shorters Saxofon und Davis’ Trompete markant eröffnet wird, ausufernde Soli bietet und insgesamt aus einem Guss ist.

Beim Stöbern im Internet stößt man in diesen Tagen auf weitere Miles-Fundstücke. Etwa auch auf das Doppelalbum „Bitches Brew“ (1970), zwei Jahre nach „Sorcerer“ auf den Markt gekommen. Eine Revolution, denn hier begegnet uns ein ganz anderer Miles. „Bitches Brew“, eine Verballhornung von „Witches Brew“ (Zaubertrank, Hexengebräu), markiert Miles’ Start in die Welt von Jazzrock und Fusion.

Mancher Kritiker unkte, das sei der Ausverkauf des hehren Jazz. Zumindest werden hier Jahrzehnte Jazz-Tradition auf den Kopf gestellt, elektrisiert, verzerrt, vom pumpenden Beat des Rock in eine neue Dimension getrieben. Aber es bleibt irgendwie toller Jazz.

Wende im Werk

„Bitches Brew“ war nicht nur eine mitunter heftig kritsierte Wende in Davis’ Werk (und kommerziell ein Riesenerfolg – Miles’ erste Goldene Schallplatte). Sie ist in erster Linie eine aufregende, wilde, herausragende und voller musikalischer Überraschungen steckende Aufnahme mit Größen wie Wayne Shorter, Joe Zawinul, Chick Corea, John McLaughlin, Jack DeJohnette und Ron Carter, um nur einige zu nennen.

Höhepunkte gibt es etliche. Etwa „Miles Runs The Voodoo Down“ mit einem überragenden Davis, Zawinuls 20 Minuten lang durch den neuen Kosmos irrlichternder „Pharaoh’s Dance“, getoppt vom 27-minütigen Titelstück, eine wilde, aufpeitschende Nummer, in der Davis mit verzerrten Fanfarenstößen den wütenden Dompteur gibt. Ganz der Alte ist Miles im Finale mit „Sanctuary“. Ein Friedensangebot an verstörte Fans.

Das kongeniale Cover thematisiert den Schwenk in eine neue, poppig-surrealistische Welt mit kräftigen Farben. Mati Klarwein hat es geschaffen: „Da brennen die Mohnblumen neben schaumigen Brandungswellen, da umarmen sich afrikanische Königskinder...“, schrieben Siegfried Schmidt-Joos und Barry Graves.

In loser Folge an dieser Stelle: Kulturtipps für zu Hause aus der Feuilleton-Redaktion.

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