Newsletter aus Rheinbreitbach Mit Online-Jazz gegen den Corona-Blues

Bonn · Der Rheinbreitbacher Informatiker und Jazzfan Hans-Bernd Kittlaus trotzt der Corona-Krise mit einem täglichen Newsletter, der Stunden über Stunden feinste Musik und Infos bietet.

 Er hört und fühlt den Jazz: Der Softwareunternehmer und Jazzfan Hans-Bernd Kittlaus in seinem Wohnzimmer.

Er hört und fühlt den Jazz: Der Softwareunternehmer und Jazzfan Hans-Bernd Kittlaus in seinem Wohnzimmer.

Foto: Frank Homann

Um ein Haar hätten wir den 102. Geburtstag von Henry „Hank“ Jones (1918-2010) verpasst, dieses feinen Jazzpianisten, der im Mai 1962 Marilyn Monroe bei ihrem berühmt-berüchtigt gehauchten Geburtstagsständchen für John F. Kennedy („Happy Birthday Mr. President“) im Madison Square Garden begleitete. Hans-Bernd Kittlaus, Jazzexperte aus Rheinbreitbach, hat nun dankenswerterweise daran erinnert. Man kriegt ja sonst nichts mehr mit. Die Szene ist auf Tauchstation. Nicht wenige Jazzfreunde verzagen, verzweifeln derzeit, hadern mit den Restriktionen, die die Corona-Krise zu Recht mit sich bringt: Alles auf Abstand, kaum Konzerte, nahezu keine Festivals. Live-Auftritte: Mangelware.

Damit der Frust nicht noch mehr um sich greift, hat Kittlaus einen wunderbaren täglichen Newsletter „Jazz Online Against Corona Blues“ aufgelegt. Da erinnerte er wie gesagt unlängst an den US-Amerikaner Hank Jones, schickte einen Link zu einem Konzert 2009 in Wien, in dem sich Jones und sein französischer Kollege Martial Solal an riesigen Flügeln gegenübersaßen und ihre so unterschiedlichen Stilistiken gegeneinander ausspielten und doch immer wieder sehr schön zusammenfanden. Ferner sieht und hört man Jones mit dem Vanguard Jazz Orchestra, erlebt ihn in Tokio, wie er Duke Ellingtons „In A Sentimental Mood“ zelebriert oder an der Seite eines an seinem Saxofon explodierenden Joe Lovano 2005 bei Jazz Baltica die Ruhe bewahrt.

Ein rundes Dutzend Links hat Kittlaus zu diesem Pianisten he­rausgesucht. Eine schöne Hommage an Jones. An jenem 31. Juli erinnert Kittlaus mit herrlichen Konzertmitschnitten auch noch an den Gitarristen Kenny Burrell (89), der unter anderem mit Grant Green, Tommy Flanagan und Stevie Wonder spielt.

Schon als Jugendlicher fühlte er den Jazz

Zwischen neun und zehn Uhr rappelt der Newsletter im E-Mail-Fach. Wann findet der vielbeschäftigte Informatiker, Unternehmer, Consultant, Trainer und Projektmanager Zeit für seine Jazzarbeit? „Ich bin kein Frühaufsteher“, sagt er. So recherchiert er oft am Vorabend rund zwei Stunden für den Newsletter. Manchmal kommen in der Nacht noch aktuelle Termine, manchmal auch Todesnachrichten, die Kittlaus dann in seinen Text einarbeitet. „Seit 40 Jahren höre, sehe, fühle ich Jazz“, schreibt der 62-Jährige auf seiner Homepage „Kind of Blue“. „Schon mit 13, 14 Jahren habe ich Jazz gehört“, erzählt er, damals sendete der WDR Nachmittags Jazz.

Kittlaus liebte den Gesang, entdeckte später den Instrumentaljazz, reiste jährlich zum North Sea Jazz Festival, damals nach Den Haag. Dort lernte er etliche Musiker kennen. Als es dann beruflich viel in die USA ging, besuchte er Clubs, Konzerte und Festivals. Auch jetzt versucht der selbstständige Software-Unternehmer so viele Konzerte wie möglich mitzunehmen.

Seit 35 Jahren schreibt Kittlaus fürs Jazz Podium und weitere Fachzeitschriften, pflegt seine Jazz-Home­page auf der eine Fülle von Musikkritiken zu lesen ist und es viele Tipps gibt. Zudem ist er im Vorstand des Fördervereins Cologne Jazz Supporters, der gerade einen Kompositionspreis ausgelobt hat. Im September 2019 wurde der neue Kölner Jazzclub King Georg eröffnet – Kittlaus schraubt mit am Programm, das übrigens sehr attraktiv ist.

"From Jazz with Love"

Gerade ist er mit seiner Frau Carola in die Initiative von Dieter Streve-Mülhens miteingestiegen, der in der Chorruine von Kloster Heisterbach das Jazzfestival „From Jazz with Love“ initiieren will. Auf der Künstlerliste: Ack van Royen, Simon Oslender, die All Star Band des WDR-Big-Band-Saxofonisten Paul Heller. Coronabedingt läuft das für August 2020 geplante Festival nun im Sommer 2021.

Den Versuch, selbst instrumental aktiv zu werden hat Kittlaus verworfen. „Ich habe es mit dem Saxofon versucht, dann wieder drangegeben“, erzählt er. Warum? „Ich hatte eine genaue Vorstellung davon, wie das klingen muss und sah, wie weit ich davon entfernt bin.“ Jetzt steht das glänzende Instrument immerhin als Blickfang im Wohnzimmer der Kittlaus’.

Zurück zum Newsletter: Auf die Gratulationstour folgt in der Regel ein höchst lobenswertes Angebot: Kittlaus listet Adressen auf, unter denen an diesem Tag Konzerte live gestreamt werden, aus dem Kölner Club King George, dem Smalls Jazz Club, dem Blue Note und Village Vanguard in New York City, der Vail Jazz Organisation, dem Bostoner Scullers Jazz Club und von vielen weiteren Clubs.

Da kann sich der Jazzfreund die Nächte um die Ohren schlagen. Und wer nicht genug hat: Immer wieder bietet Kittlaus historische Mitschnitte zum Beispiel vom Jazzfest Viersen mit der NDR Big Band mit Nils Langren, Ali Haurand, Gerd Dudek, Manfred Schoof, dem McCoy Tyner Trio... Ein Genuss.

Und ja: Es gibt auch Tipps für Livemusik unter strengen Abstands- und Hygienebedingungen und häufig im Freien. So gibt es Jazz und Weltmusik mit Gästen wie Pablo Held und Sebastian Sternal im Innenhof des Düsseldorfer Rathauses 8./9. August), kann man Martin Sasse mit Joachim Schönecker und Matthias Novak Open Air im Kölner Stadtgarten hören (23. August) – der Stadtgarten bietet ohnehin ein exzellentes Programm. Kittlaus’ monatlich aktualisierte Liste ist lang.

Bonn kommt auf der Liste kaum vor. „In der Stadt läuft nicht viel, es gab schon bessere Zeiten“, erinnert sich Kittlaus und erzählt von tollen Jazzkonzerten früher in der Harmonie. „Jetzt gibt es das Jazzfest, die Kimmerle-Konzerte im Pantheon und nicht viel mehr“, sagt er. Und empfiehlt nicht ohne Eigeninteresse seinen Club King Georg in der Kölner Sudermannstraße.

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