GA: Imany, welche Fassung von „Don’t Be So Shy“ gefällt Ihnen selbst denn am besten?
Sängerin Imany im Interview Model und Sängerin
Köln · Sie war Model bei Calvin Klein in New York, dann startete sie in Paris eine Gesangskarriere. 2016 landete die Französin Imany mit „Don't Be So Shy“ einen erotischen Sommerhit. Und im November gibt sie ein Konzert in Köln.
Imany: Naja, der Dance-Mix ist interessant, ich mag den schon. Und es ist überwältigend, wie gefragt meine Musik plötzlich ist – nur wegen dieser Nummer.
GA: Aber?
Imany: Meine eigene Version, nur mit der Orgel und meiner Stimme, liegt mir ein Stück näher.
GA: Warum ist das so ein Hit geworden?
Imany: Ich weiß es nicht. Der Song ist gut, und die beiden Jungs haben ihren russischen DJ-Voodoo-Zauber darüber verstreut. Doch dass er so abgeht? Manchmal hat man keine Erklärung.
GA: Wie haben Sie von dem Remix erfahren?
Imany: Erst mal gar nicht. Ich bekam das erst mit, als „Don’t Be So Shy“ in Russland längst in den Charts war. Dann fragten sie mich offiziell um meine Freigabe, und ich dachte: Warum eigentlich nicht? Mit dem Remix hatte ich an sich nichts zu tun, und jetzt bestimmt er mein Leben (lacht).
GA: Der Song ist sehr sexy. Mit Absicht?
Imany: Logisch. „Don’t Be So Shy“ war für eine besonders erotische Szene in dem Film gedacht.
GA: Wer nur den DJ-Hit kennt, wird vom Sound Ihres Albums überrascht sein, oder?
Imany: Ja, davon gehe ich aus. Das Gute am Remix ist, dass er meine Stimme so sehr herausstellt. Wer meine Stimme mag, wird vielleicht das Album mögen. Unterm Strich dürfte der Hit meiner Karriere jedenfalls gut tun.
GA: Woran merken Sie das?
Imany: Zu meinen Konzerten in Frankreich sind zuletzt sehr viele junge Besucher gekommen. Und wenn ich „Don’t Be So Shy“ singe, dann lieben sie das.
GA: Manche Ihrer neuen Songs klingen hell und aufbauend, andere sehr melancholisch. Sind Sie, was Stimmungen angeht, ein extremer Mensch?
Imany: Nein, nicht extremer als andere Menschen. Das Album hat die passende Balance zwischen Traurigkeit und Glück. Ja, es gibt Tränen, aber am Ende geht es eher in Richtung des Lichts und der Hoffnung.
GA: Ist „No Reason No Ryhme“ nicht ein bitterer Trennungssong?
Imany: Trennungssong? Ja. Bitter? Nein. Die Person im Lied ist keine Frau, die sich bemitleidet. Es ist eine Frau, die Kraft und Stärke zurückgewinnt, die sich emanzipiert. Selbst, wenn du Dramen durchleidest – am Ende steht ein neuer Anfang. Das ist das Grundthema des Albums.
GA: Wie persönlich ist ein Song wie das „You Don’t Belong To Me“?
Imany: Den Text habe ich mir komplett ausgedacht. Da geht es um ein Paar, das sich körperlich bestens versteht, aber ansonsten einfach nicht zusammen sein sollte. Alle wissen das, nur das Paar will es nicht wahrhaben.
GA: Ist Ihnen Ähnliches passiert?
Imany: Naja, mit meinem ersten Freund. Meine Eltern waren total gegen diese Beziehung, und sie hatten natürlich Recht (lacht). Aber ich war jung und sehr verliebt. Man will seine eigenen Fehler machen und seine eigenen Lehren ziehen.
GA: Ihr erstes Album „The Shape Of A Broken Heart“ von 2011 handelte vom üblen Ende einer Liebe.
Imany: Das ist wahr, ich brauchte damals eine ganze Platte, um eine Trennung zu verarbeiten.
GA: Sie Sie heute glücklicher als vor fünf Jahren?
Imany: Oh ja, zehn Mal glücklicher, mindestens. Ich habe nach Veröffentlichung meines Debüts 400 Konzerte gespielt, geheiratet und vor neun Monaten ein Baby bekommen. Einen Sohn.
GA: Und um welchen Krieg geht es im Titelsong?
Imany: Es geht um ein Paar, das in dem Moment, als es vorbei ist, merkt, dass es den falschen Kampf gekämpft hat. Die beiden waren bescheuert.
GA: Warum bescheuert?
Imany: Sie hätten für ihre Liebe kämpfen müssen, nicht für deren Ende. Im übertragenen Sinne lässt sich so eine Situation auch auf die großen Themen der Menschheit anwenden, dass wir uns nämlich ständig mit Kleinigkeiten aufreiben oder Länder bombardieren, von denen wir keine Ahnung haben, während wir dabei sind, das Weltklima für immer gegen die Wand zu fahren. Wir Menschen sind oft so schrecklich ignorant.
GA: Für Popmusik ist das ziemlich anspruchsvoller Stoff, oder?
Imany: Nur weil es Pop ist, muss es nicht banal sein! Ich versuche, über echte Dinge zu sprechen. Selbst „Don’t Be So Shy“ hat Anspruch. Sicher, da geht es nur um Erotik, aber auch sie ist ein göttlicher Akt. Ihre Wurzel ist die Liebe, jedenfalls meistens. Und die Liebe ist etwas sehr Ernsthaftes für mich.
GA: Sie haben in New York als Model gearbeitet. Wann wurde Ihnen bewusst, dass Sie auch eine gute Gesangsstimme besitzen?
Imany: Ich bin nicht eines Morgens aufgewacht und liebte plötzlich meine Stimme. Bis heute habe ich mit der Stimme ein Problem. Als Kind fand ich sie viel zu laut, und ich litt richtig unter Komplexen. Ich singe auch nicht, weil ich meine Stimme so mag, sondern weil ich mich beim Singen gut und wohl fühle. Den Frieden mit meiner Stimme habe ich noch immer nicht gemacht.
GA: Wirklich nicht?
Imany: Wir alle haben unsere Widersprüche, und das ist eben meiner. Ich finde meine Stimme inzwischen besser als vor Jahren, ich lerne, damit zu leben.
GA: Haben Sie die Zeit als Model genossen? Sie haben unter anderem für Calvin Klein gearbeitet.
Imany: Ich fand den Job nicht so toll. Ich fand auch meinen Körper nie wirklich passend. Beim Modeln war ich nie glücklich. Beim Singen schon.
GA: Warum haben Sie als Model aufgehört?
Imany: Model zu sein, das ist eine Kurzzeitkarriere. Ab 25 geht es steil bergab, dann blinkt die Ausgangstür. Es ist nicht so, dass ich mit dem Modeln aufgehört hätte. Das Modeln hat mit mir aufgehört. Danach musste ich mich entscheiden, ob ich noch zur Uni gehe oder es mit dem Singen versuche. Ich glaube, ich habe richtig entschieden.
GA: Ihre Eltern kommen von den Komoren, einer nicht sehr bekannten Inselgruppe bei Madagaskar. Sind Sie häufig dort?
Imany: Als Kind bin ich oft mit meinen Eltern hingeflogen. Man kann die Komoren nur empfehlen. Das sind wunderschöne Inseln. Fast nirgendwo auf der Welt kann man besser tauchen.
GA: Vielleicht sollten sich die Urlauber beeilen, bevor alle lesen, wie toll es dort ist.
Imany: Ach, ich bin doch nicht berühmt genug, um den Tourismus auf den Komoren anzuheizen.
GA: Fühlen Sie sich also noch nicht als Popstar?
Imany: Nee, eher nicht. Mein Leben hat sich nicht sehr geändert, ich gehe auf keine coolen Partys oder sorge für irgendwelches Aufsehen. Wenn ich nicht arbeite, bin ich zu Hause bei meiner Familie. Und erkannt werde ich in Paris höchstens in der Metro.
GA: Sie fahren noch U-Bahn?
Imany: Selbstverständlich. Die Leute reiben sich immer die Augen, wenn sie mich dort sehen. Ja, aber was erwarten die denn? Dass ich mit dem Jet durch die Stadt fliege?