Buchtipp "Moonfire" Neuauflage von Norman Mailers berühmter Reportage

Zum 50-jährigen Mondjubiläum wird das Sachbuch "Of a Fire on the Moon" von Norman Mailer neu im Taschen-Verlag aufgelegt. Das Werk basiert auf einer Reportage für das Magazin "Life".

Gute Literatur zielt darauf ab, der Geschichte Handschellen anzulegen“, schreibt Kollege Colum McCann im Vorwort. Und meint damit den großen Norman Mailer (1923- 2007), der mit gewaltigen Romanen („Die Nackten und die Toten“) wie mit formatsprengenden Reportagen auftrumpfte. Doch saß der Amerikaner 1974 in Kinshasa am Ring, um dann Muhammad Alis Sieg über George Foreman zwischen Buchdeckel zu bannen, so hatte er bei der Apollo-11-Mission ein Problem: Er war eben nicht an Bord. Wie man dieses nicht gerade läppische Handicap ausgleicht, zeigte Mailer in seinem Sachbuch „Of a Fire on the Moon“, das bei Taschen nun zum Mondlandungsjubiläum unter dem Titel „Moonfire“ erneut aufgelegt wird.

Das Werk basiert auf einer fürstlich dotierten Mammutreportage, die der notorisch klamme Autor 1969 für das Magazin „Life“ schrieb. Ihm ging es bei der Arbeit nicht besser als den Journalisten: Er lauschte Pressekonferenzen, sah den Start der Trägerrakete Saturn V aus sicherer Entfernung und die Landung von „Eagle“ in dem für die Medien reservierten Kino.

Doch was ihm da alles auffiel: die lässige Coolness von Michael Collins und Buzz Aldrins Dynamik: „Er sprach wie eine unter Volllast ratternde Bohrmaschine“. Bei Neil Armstrong aber fand er, dass der „seine Worte mit ungefähr derselben Bereitwilligkeit herausrückte, mit der ein Jagdhund sich ein Stück Fleisch zwischen den Zähnen herauszerren lässt“.

Schlankes, engelsgleiches Schiff

Doch gerade aus dieser Langweiligkeit schloss Mailer, dass der harte Charakterkern dieses Mannes tief unter der Oberfläche liegen müsse. Staunend streifte der Chronist durch Cape Kennedy („die erste Kathedrale des technologischen Zeitalters“), porträtierte mit scharfem Strich Wernher von Braun und andere Nasa-Superhirne. Mailer ließ sich durchaus von den technischen Finessen faszinieren, etwa der hochkomplexen Kettenreaktion des Raketenstarts. Diesem gönnte er euphorische Prosa. „Zwei gewaltige Flammensäulen senkten sich wie die Schwingen eines feurigen gelben Vogels über den ganzen Platz, und zwischen ihnen erhob sich, weiß wie ein Gespenst, weiß wie der weiße Wal Moby Dick, dieses schlanke, engelgleiche, geheimnisvolle Schiff...“ Und dann, deutlich später, hört man „das donnernde Grollen von tausend Niagarafällen aus Feuer“.

Gleichwohl war der derart Begeisterte ein bisschen verdrossen darüber, dass Frau Luna ihren Bannkreis so widerstandslos freigab. Armstrongs Schritte auf dem Mond muteten ihn „fast wie das Stolpern eines neugeborenen Kalbs“ an, doch wertete er das Unternehmen auch als Tabubruch wie Prometheus' Diebstahl des Feuers. Hatte die Menschheit begonnen, „dem Universum die Taschen umzudrehen“?

Die Reportage erweist sich als Spagat zwischen Schwerelosigkeit und Bodenhaftung. Sie notierte eben auch Ted Kennedys Autounfall am 18. Juli, als er auf einer Brücke der Insel Chappaquiddick spätabends die Kontrolle über seinen Wagen verlor. Das Auto stürzte ins Wasser, in dem seine Beifahrerin Mary Jo Kopechne ertrank. Mit ihr die Hoffnungen der demokratischen Partei. Beim amerikanischen Griff nach kosmischem Lorbeer drehte sich die Erde ungerührt weiter. Und angesichts des Vietnam-Desasters erschien die Mondlandung als gigantisches Ablenkungsmanöver. Mailer sah in dem Unternehmen überdies einen fragwürdigen Triumph des Machbarkeitswahns und ein Menetekel für die drohende Dominanz der Computer.

Als Krankheit dieser neuen Zeit diagnostiziert er, dass „eine Hälfte des Gehirns völlig überentwickelt, die andere völlig verkümmert“ sei. Es werde also künftig keine Männer geben, „die die Sprache Shakespeares beherrschen und gleichzeitig zu den Sternen fliegen“.

Norman Mailer schaffte irgendwie beides – wobei er nicht verschwieg, dass ihn diese literarische Mission seine vierte, ohnehin kriselnde Ehe kostete.

Norman Mailer: Moonfire – Die legendäre Reise der Apollo 11. Taschen-Verlag, Kompaktversion, 613 S., 15 Euro, großformatige Ausgabe, 348 S., 40 Euro.

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