Ausstellungen im Max Ernst Museum Neue Ausstellungen im Brühler Max Ernst Museum

Bonn · Das Ausstellungsjahr 2024 im Brühler Max Ernst Museum präsentiert die Künstlerin Nevin Aladag und den Bildhauer Alberto Giacometti.

 Max Ernst Museum in Brühl

Max Ernst Museum in Brühl

Foto: dpa/picture-alliance / Rainer Hacken

Sie forscht nach Klängen, die sie irgendwo aufschnappt, analysiert und in ihren Installationen konserviert, sichert Alltagsspuren, sammelt Textilien. Ihre Arbeiten waren auf der documenta, auf der Biennale von Venedig, der Frieze in London und in großen Ausstellungen zu sehen. Nevin Aladag, 1972 in der Türkei geborene, in Stuttgart aufgewachsene, an der Münchner Kunstakademie von Olaf Metzel ausgebildete und in Berlin lebende Künstlerin, hat ein besonders spannendes, außergewöhnliches Werk zu bieten. 2017 etwa fing sie den Sound von Marzahn in Berlin ein. Für die documenta 14 gestaltete sie am Athener Standort ein „Musikzimmer“, in dem sie Möbel in Saiten- und Schlaginstrumente verwandelte.

Unlängst präsentierte sie eine interaktive Klangskulptur, bestückt mit einem fast hundert Meter langen, orientalisch anmutenden Teppich und Lichtskulpturen aus Feinstrumpfhosen im Kurgarten von Baden-Baden. Bis März 2024 ist ihre witzige, klingende Ausstellung „Jamming“ in der Schwartzschen Villa in Berlin zu erleben. Musik und Klang, gesellschaftliche Bezüge, alltägliche Objekte und abstrakte Ornamentik verbinden sich mit einer Video­installation, die in der Gründerzeitvilla in Steglitz ihre Deutschlandpremiere feiert, ein musikalisch-filmisches Porträt von Berlin.

Umfassende Werkschau

Es wird Zeit für eine umfassendere Ausstellung. Die wird nun zum Start des neuen Ausstellungsjahres das Max-Ernst-Museum des LVR in Brühl präsentieren. Am 10. März 2024 startet die Überblicksausstellung „Interlocking“ (Ineinandergreifen) mit textilen Collagen, Klangskulpturen, Installationen und Videos. Sie zieht Verbindungslinien zwischen unterschiedlichen Mustern künstlerischen Schaffens und deren soziokulturellen Hintergründen. Aladags großes Thema. In der Serie „Social Fabric“ etwa werden verschiedene Textilien zu einem „utopischen Teppich“ verwoben, der die Herkunft des Materials aus unterschiedlichen Kulturen bildlich zusammenführt. „Teppichballspiel“, eine weitere interaktive Installation, lädt zum Indoor-Basketball mitten in der Ausstellung ein. Weitere Arbeiten sind für den Außenraum in Planung.

Dem Bildhauer Alberto Giacometti, ist die zweite große Schau des Jahres in Brühl gewidmet. Am 1. September startet die in Kooperation mit der Fondation Giacometti realisierte Ausstellung, die sich auf das surreale Schaffen des Schweizer Bildhauers, Malers und Zeichners (1901–1966) konzentriert. 1922 zog es ihn und den Patron des Museums, Max Ernst, nach Paris – damals das Zentrum der Kunst. 1928 lernten sich die beiden kennen, arbeiteten in benachbarten Ateliers. Bekannt ist Giacometti für seine dünnen, langen schreitenden oder stehenden, existenzialistisch ausgezehrten Bronzefiguren, die insbesondere nach 1945 entstanden.

Der Surrealist Giacometti

Weniger geläufig ist Giacomettis kurze surrealistische Phase, die im Mittelpunkt der Brühler Ausstellung steht und die Zeit der 1920er und 1930er-Jahre spiegelt. Um 1928 schloss er Freundschaften mit etlichen Künstlern aus dem Surrealistenkreis, machte Bekanntschaft mit Louis Aragon, Alexander Calder, Jean Cocteau, Michel Leiris, Joan Miró und Jacques Prévert. Leiris veröffentlichte die erste Würdigung von Giacomettis Kunst in der Surrealisten-Zeitschrift „Documents“. Giacometti stellte mit Joan Miró und Hans Arp in der Galerie Pierre aus, wo Breton, der Surrealisten-Papst, nicht nur Giacomettis Kunstobjekt „Boule suspendue“ (Schwebende Kugel) kaufte, sondern Giacometti auch noch überreden konnte, zur Gruppe der Surrealisten zu stoßen.

Die Ausstellung im Max Ernst Museum widmet sich unter anderem auch erstmals der künstlerischen und und freundschaftlichen Verbindung zwischen Ernst und Giacometti. Neben Arbeiten aus der surrealistischen Phase werden ausgewählte Beispiele seiner nach 1945 entwickelten filigranen Bronzefiguren zu sehen sein, zusammen mit Gemälden, Zeichnungen und Grafiken.

Max Ernst und die Frauen

Zusätzlich zu den beiden großen Ausstellungen des Jahres aktiviert und befragt das Haus die eigene Dauerausstellung unter dem Motto „New Perspectives“. Geplant sind verschiedene kleinere Ausstellungsformate und Veranstaltungen. Ort des Geschehens ist ein Raum im 1. Obergeschoss des Museums, der Leonora-Carrington-Saal. Carrington war eine sehr interessante und vielseitige britisch-mexikanische Künstlerin, die kurze Zeit mit dem 26 Jahre älteren Ernst liiert war, den sie als Studentin in Paris kennengelernt hatte.

Auch der ersten Ehefrau von Ernst, der Journalistin und Künstlerin Luise-Straus-Ernst, ist ein Raum gewidmet, der Wechselausstellungssaal im Untergeschoss des Museums. Vor seiner Übersiedelung nach Paris trennte sich Ernst von ihr. 1933 emigrierte Luise Straus-Ernst nach Frankreich, wurde 1944 deportiert und in Auschwitz ermordet. Auch der Malerin, Bildhauerin und Schriftstellerin Dorothea Tanning ist ein Saal gewidmet. Sie war von 1946 bis zu Ernsts Tod mit dem Surrealisten verheiratet.

Noch bis zum 28. Januar 2024 läuft die Medienkunst-Schau „Surreal Futures“ mit rund 30 internationalen Positionen aus 19 Ländern, die erstmals auch vermehrt zeitgenössische Arbeiten in der Sammlung neben den Werken von Max Ernst zeigt.