Kunst Neue Tate Modern: Kunst-Kathedrale an der Themse

London · Seit ihrer Eröffnung im Jahr 2000 gilt die Tate Modern in London als Spitzenreiter unter den modernen Kunstmuseen der Welt. Ihr Konzept hat vielerorts zur Nachahmung inspiriert. Jetzt hat die Tate noch einmal zugelegt.

 Jane Alexander ("African Adventure") gehört zu den prominentesten Künstlerinnen Südafrikas.

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Foto: Facundo Arrizabalaga

Der Erweiterungsbau der Tate Modern in London ist von innen so aufregend wie von außen. Schon aus der Ferne fällt der zehnstöckige Anbau mit seinen schrägen, Pyramiden-förmigen Seitenteilen und schmalen Fensterschlitzen in den Blick.

Das Schalthaus, wie der Zickzack-Anbau auf dem Gelände eines ehemaligen Themse-Kraftwerks heißt, fügt die beiden bereits existierenden Teile der Tate - das Kesselhaus und die riesige Turbinenhalle - zur "Neuen Tate Modern" zusammen.

"Dies ist nicht nur ein Anbau, sondern eine völlig neue Tate Modern mit einem neuen Blick auf die Welt", sagt Tate-Direktor Nicholas Serota zu dem Bau, der von diesem Freitag (17.6.) an für Besucher geöffnet hat.

Die Schweizer Architekten Herzog & de Meuron, die schon für die zum Millennium eröffnete "Original" Tate verantwortlich zeichneten, brauchten mehr als eine Dekade, um ihr futuristisches Projekt - mit Kosten von 260 Millionen Pfund (328 Millionen Euro) - zu verwirklichen. Der ursprüngliche Eröffnungstermin zur Londoner Olympiade 2012 verstrich, die Kosten überschlugen sich.

Den Architekten ging es darum, das Äußere des Gebäudes durch die Verwendung von Ziegelsteinen in seinem historisch-industriellen Kontext zu platzieren. Die versetzte Anordnung der Steine erlaubt einen gebrochenen Lichteinfall und kreiert damit - so die Architekten - einen "Kathedralen-Effekt" von Licht und Schatten.

Auch im Inneren dominiert der Wechsel von Grobheit und Ästhetik. Unverputzte Betonwände, abfallende Böden und niedrige Decken eröffnen fast unvermittelt den Blick auf eine schwungvolle Wendeltreppe, die die Besucher zu den großen und hellen Ausstellungsräumen - mit Holzfußböden und glatten Wänden - führt. Entdeckungen überall: Neben-und Hinterzimmer, Nischen und Winkel, Videoräume, Kinos, Fensterbänke und Kissen zum Ausruhen und Nachdenken.

Gekrönt wird das visuelle Erlebnis durch eine umlaufende Aussichtsterrasse im 10. Stock, die den Besucher auf Augenhöhe mit der altehrwürdigen St. Paul's Kathedrale bringt und einen atemberaubenden Ausblick auf die Londoner Skyline bietet.

Als führendes Kunstmuseum des 21. Jahrhunderts will die New Tate Modern, so Serota, ihren jährlich mehr als fünf Millionen Besuchern Kunst, Unterhaltung, Interaktion und Bildung bieten. "Es geht darum, was große Kunstinstitutionen für die Gemeinschaft tun können," sagt Serota. Ziel sei, zugleich "lokal und global" zu sein.

Unter dem Motto "Die Kunst verändert sich, wir verändern uns", präsentiert sich die Neue Tate Modern mit einer völlig neuen Hängung. Der Zugewinn von 60 Prozent an Ausstellungsfläche bedeutet, dass rund dreiviertel der Neuerwerbungen der Tate seit 2000 erstmals gezeigt werden können. Die Betonung liegt auf mehr weiblichen und nicht-europäischen Künstlern, Fotografie, Performance-Kunst, Installation und Film.

In der erweiterten Sammlung sind 800 Werke von mehr als 300 Künstlern aus 50 Ländern zu sehen. "Sie erzählen die breitere Geschichte der modernen und zeitgenössischen Kunst über die vergangenen 100 Jahre", sagt die Direktorin der Tate Modern, Frances Morris.

Der Anteil der Werken von Frauen hat sich in der neuen Sammlung von bisher 17 auf 50 Prozent erhöht. Werke der Performance-Künstlerin Marina Abramović sind ebenso zu sehen wie die "Körperskulpturen" der deutschen Bildhauerin und Aktionskünstlerin Rebecca Horn. Ihr wird, ebenso wie der französisch-amerikanischen Künstlerin Louise Bourgeois (1911-2010), ein ganzer Raum gewidmet.

Morris gesteht das bisherige "riesige Defizit" an Künstlerinnen ebenso freimütig ein wie die traditionelle Konzentration auf Kunst aus Europa und Nordamerika. "Mit dem neuen Konzept von Internationalismus und Globalismus passt sich die Tate Modern der Zeit an, in der wir leben", sagt sie.

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