Nachruf Nicolai Gedda mit 91 Jahren gestorben

Bonn · Die Vielseitigkeit des schwedischen Tenors war legendär: Vielen galt er als größter Tenor des 20. Jahrhunderts

 Nicolai Gedda 2001 in seinem Haus in Stockholm.

Nicolai Gedda 2001 in seinem Haus in Stockholm.

Foto: AFP

Der Tenor Nicolai Gedda war ein musikalisches Phänomen. Es gab kaum einen Stil, in dem er sich nicht ganz und gar zu Hause fühlte. Mit seiner hellen, lyrischen Stimme, die mühelos selbst das hohe d erreichte, eroberte er die italienische Oper, ihm war das französische Idiom ebenso vertraut wie das russische, für seine Mozart-Partien wurde er gerühmt, und er sang nicht weniger überzeugend neuere Musik etwa von Rolf Liebermann. Darüber hinaus liebte er die Operette.

Wie verschiedenen Medien auf Berufung seiner Tochter Tania Gedda vermeldet haben, ist der in Schweden geborene Tenor bereits am 8. Januar im Alter von 91 Jahren in der Schweiz gestorben. Er hatte offenbar selbst verfügt, dass sein Tod erst einen Monat später bekannt gegeben werden sollte.

Dass Gedda mit solch schlafwandlerischer Sicherheit vom italienischen ins deutsche, französische oder russische Fach wechseln konnte, seine Fans an der Seite von Maria Callas als Don José in „Carmen“ ebenso zu begeistern wusste wie in Mozarts „Zauberflöte“ als „Tamino“, lag neben der musikalischen an einer weiteren bemerkenswerten Begabung: Alle Sprachen, in denen er sang, konnte er auch fließend und akzentfrei sprechen. Was sicher auch mit seinem familiären Hintergrund zusammenhing. Denn der am 11. Juli 1925 in Stockholm zur Welt gekommene Sänger verbrachte einige Jahre seiner Kindheit in Leipzig, wo sein russischer Stiefvater als Kantor an der russisch-orthodoxen Kirche wirkte. Der Kantor hatte großen Einfluss auf die Entwicklung seines Stiefsohnes und förderte seine musikalische und sprachliche Begabung.

Die Familie kehrte 1936 nach Stockholm zurück, wo Gedda am dortigen Konservatorium seine Stimme ausbilden ließ. Seine Bühnenkarriere begann an der Schwedischen Nationaloper. Von dort aus eroberte der Sänger die ganze Musikwelt. Ob Mailand, Wien, New York oder London: Überall lagen ihm die Fans zu Füßen. Vielen galt er als der größte Tenor des 20. Jahrhunderts.

Geddas Gesangstechnik und die bei aller Vielseitigkeit doch sehr skrupulöse Auswahl seiner Partien erlaubten ihm eine lange Karriere, was ihn mit seinem berühmten Kollegen Alfredo Kraus verbindet. Als er sich mit 72 Jahren 1997 von der Bühne verabschiedete, hatte er fast fünf Jahrzehnte die Fans seiner außergewöhnlichen Stimm- und Gesangskultur begeistert. Ein Trost, dass sie mit mehr als 200 Einspielungen so gut dokumentiert ist.

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