"Peer Gynt" im Schauspielhaus Bad Godesberg Hohelied auf einen Geschichtenerzähler

Bonn · Für Regisseur Simon Solberg ist der Protagonist aus „Peer Gynt“ eine missverstandene Seele. Die Bonner Premiere des Stücks ist am Aschermittwoch.

 In der Inszenierung von Simon Solberg ist „Peer Gynt“ eine mitunter nasse Angelegenheit.

In der Inszenierung von Simon Solberg ist „Peer Gynt“ eine mitunter nasse Angelegenheit.

Foto: Thilo Beu

Poet oder Lügenbaron, tragischer Held oder ruchloser Egoist: Über die Figur des Peer Gynt gibt es ganz unterschiedliche Meinungen, seit der norwegische Nationaldichter Henrik Ibsen den Bauernsohn 1867 mit seinem gleichnamigen Versepos in die Welt entließ. Jetzt nimmt sich der Bonner Hausregisseur Simon Solberg des Stoffes an, mit einem eindeutig positiven Blick auf die Hauptfigur und einer soziologischen Deutung seiner Geschichten. Für ihn ist Peer Gynt eine missverstandene kreative Seele, ein Träumer, der im Widerspruch zum Leistungsdenken des Turbokapitalismus steht und der mit seinen Gaben einen Ausweg weisen könnte, wenn man ihn denn ließe. „Wir brauchen heutzutage mehr denn je einen Peer Gynt, der uns ein utopisches Narrativ von der Zukunft vermittelt“, sagt Solberg – und führt damit den Ansatz von „Unsere Welt neu denken“ auf eher ungewöhnliche Weise fort.

Derzeit scheint es denn auch so, als könnte die Premiere am Aschermittwoch tatsächlich stattfinden. Zuletzt hatten mehrere Erkrankungen im Ensemble dafür gesorgt, dass der Termin zweimal verschoben werden musste. „Momentan sind zum Glück alle gesund und hungrig auf die Aufführungen“, betont Solberg lachend.

In denen darf Peer Gynt aus der bürgerlich-bäuerlichen Enge des Elternhauses ausbrechen, indem er sich in eine Phantasiewelt flüchtet. „Das Verdammte an den kleinen Verhältnissen ist, dass sie die Seelen klein machen“, zitiert Solberg Ibsen. „In meinen Augen erfindet Peer Gynt seine Geschichten über das Zusammentreffen mit Trollen und anderen Fabelwesen, weil er ständig das Gefühl hat, nicht zu genügen. Ihm wird permanent vorgeworfen, nichts zu leisten, dabei nutzt er doch ständig seine Vorstellungskraft. Doch die wird in der ökonomisierten Industriegesellschaft, die zum Zeitpunkt der Handlung immer stärker auf dem Vormarsch ist, einfach nicht wertgeschätzt.“

Schichten wie eine Zwiebel

Gleichzeitig betont Solberg, dass er in der Inszenierung explizit keine einzelne Lesart alleine stehen lassen will. „Wir legen nur Schichten frei“, sagt er mit Blick auf das Bild der Zwiebel, das Peer Gynt im letzten Akt zur Selbstcharakterisierung verwendet. „Er erkennt, dass sein Leben aus lauter Schalen ohne Kern besteht, dass er eine Reihe von Episoden erlebt hat, ohne einen Charakter zu haben“, so fasst der Literaturwissenschaftler Georg Lukács diese Offenbarung zusammen. „Letztlich stellt ‚Peer Gynt‘ die Frage, was uns eigentlich ausmacht, und was uns glücklich macht“, so Solberg. „Die Antwort darauf muss jeder für sich selbst finden. Ich sehe es aber als Aufgabe des Theaters an, solche Themen anzuschneiden – doch dafür muss das Publikum erst bereit gemacht werden, indem wir auf der Bühne passende Geschichten erzählen, in die die Zuschauer eintauchen können.“ Um dies zu erreichen, werde die Bonner Inszenierung auch durchaus bildgewaltig werden und alle Möglichkeiten einer modernen Bühne und exzellenter Werkstätten nutzen.

Musikalisch wird sie dagegen etwas reduzierter daherkommen: „Längst sind sich Theatermacher einig, dass die ursprünglich von Edvard Grieg geschriebene romantisierende Musik nicht wirklich zum Stück passt“, betont Solberg. „Wir haben das Glück, eine wunderbare Cellistin und einen sehr fantasievollen Pianisten und Perkussionisten gefunden zu haben, die einen Übergang zwischen einer fast mystischen Musik und sehr modernen Klängen schaffen und somit auf das Spannungsfeld zwischen Trollen und dem Turbokapitalismus referieren, das bei unserer Inszenierung mitschwingt.“

Termine: 22. und 24. Februar, 9. und 23. März, jeweils um 19.30 Uhr sowie am 5. März, 18 Uhr im Schauspielhaus Bad Godesberg. Karten erhältlich an allen bekannten Vorverkaufsstellen.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
„Bitte lesen Sie das“
Alles über Durchsagen in Bad Godesberg „Bitte lesen Sie das“
Aus dem Ressort