Brandqvist Trio in der Harmonie Rauschen im Wald

Bonn · Beim umjubelten Auftritt des Emil Brandqvist Trios in der Harmonie ist jede Nummer ein Abenteuer. Vorgeschmack auf das neue Album “In This Moment“

Schlagezeuger Emil Brandqvist (rechts), Bassist Max Thornberg und Tuomas A. Turunen am Piano in der Harmonie.

Schlagezeuger Emil Brandqvist (rechts), Bassist Max Thornberg und Tuomas A. Turunen am Piano in der Harmonie.

Foto: General-Anzeiger Bonn GmbH

Was alles so durch die skandinavischen Wälder kreucht und fleucht, Feen und Trolle vermutlich inklusive, was dort blüht, wie es sich anfühlt, wenn der Regen fällt oder der Sonnenschein durch die Blätter sickert, das haben die Schweden Emil Brandqvist (Schlagzeug) und Max Thornberg (Bass) und der Finne Tuomas A. Turunen (Piano) auf ihrem Album „Entering The Woods“ wunderbar in Jazzmusik umgesetzt. Das Grundrauschen der Becken und mit den Besen gestreichelten Trommeln, der stete Tropfen des Pianos, der fahle Ton des mit der Bogenrückseite gestrichenen Kontrabasses: Schon mit den ersten Takten aus Brandqvists Kindheitserinnerungen in „My New Bike“ fühlt sich das Publikum in der Endenicher Harmonie mitten im Wald. Ein fragiles, tastendes, suchendes Stück aus dem 2020er Album „Entering The Woods“, das am Ende gleichsam verlöscht.

Schärfere Kontraste

Jede Nummer an diesem Abend ist ein Abenteuer – selbst für Kenner des Albums, dessen Kompositionen das Konzert prägen: Denn live passiert Unglaubliches, da wird etwa ein elegisches Bass-Solo vom Trommelfeuer des Schlagzeugs gestoppt – und das Piano tiriliert, als ob nichts gewesen wäre. Zu hören in der Ballade „When The Light Shines Through“. Seit dem letzten Bonner Auftritt beim Beethovenfest 2018 in der Harmonie hat das Emil Brandqvist Trio noch mehr Kontur bekommen, das differenzierte Spiel ist noch klarer, die Kontraste sind schärfer geworden. Eine Nummer wie das umjubelte „Crowded Apartment“, das unter anderem die Enge in Brandqvists kleiner Wohnung in Göteborg zum Thema hat, in der er mit Frau und Hund lebt, demonstriert die Wendigkeit und Dynamik dieses fantastischen Trios, das den Zuhörer von der brutalen Hektik des Alltags in den Schwebezustand eines Traums entführt.

Impulse aus dem Kraftzentrum

Das Kraftzentrum für Mutationen und Metamorphosen ist Brandqvist selbst. Wer sich fragt, wie er das macht – wo doch eigentlich auf den Aufnahmen das faszinierende, teils minimalistische, teils in die Vollen greifende Pianospiel Turunens dominiert –, muss nur genau hinhören und -schauen. Brandqvist hält permanent die Spannung mit Blicken und seinem kompakten, präzisen Spiel, mit der Stimmung, die er mit seinem Perkussionslabor aufbaut. Leichtes rauschen, Rhythmuswechsel, dann und wann harte Schläge, ganz selten bricht sich wütende Ekstase Bahn. Ein Bad der Emotionen, ein fließender, manchmal auch abrupter Wechsel von melancholischen, dahintreibenden Melodien und gleichsam abgehackten, aggressiven Passagen, die das Tempo forcieren.

Wie geschmeidig und bruchlos diese Temperamentschübe in den Spielfluss eingebaut werden, das ist das Geheimnis dieses überragenden Trios. Für März 2023 ist das nächste Album „In This Moment“ angekündigt. Brandqvist-Pianist Tuomas A. Turunen hat unlängst die hervorragende CD „Lifesparks“ (Soulfood) herausgegeben.

Brandqvist und seine beiden Triopartner ließen an diesem tollen Abend durchhören, wo die Reise hingeht. Man darf sich freuen. Das euphorisierte Publikum in der Harmonie ließ die Skandinavier erst nach drei fulminanten Zugaben gehen.

Am 30. November und 1. Dezember folgt ein weiterer Leckerbissen: Das Martin Tingvall Trio spielt in der Harmonie.

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