Theaterpremiere in der Brotfabrik 15 Runden über Leben

Beuel · Der Bonner Regisseur Stefan Herrmann zeigt die Geschichte des Boxers Rukeli Trollmann im Theater der Brotfabrik.

Wer ist dieser Johann Rukeli Trollmann? Ein Sinto mit deutschem Pass? Ein Kämpfer, womöglich sogar ein Champion? Der vielversprechende Junge mit dem athletischen Körperbau macht Ende der 1920er Jahre im Ring Furore. Sein Name spricht für sich: In der Sprache seines Volkes ist „Ruk“ das Wort für „Baum“. Doch vor allem ist Trollmann mit einem Kampfgewicht von 71 Kilogramm ein begnadeter Techniker im Mittelgewicht. Sein wendiger Boxstil – der Zeit damals um Jahrzehnte voraus – wird von Kennern heute mit dem Muhammad Alis verglichen.

Aus seiner Geschichte – von den ersten sportlichen Triumphen bis zu seiner mit Stolz getragenen Erniedrigung durch die Nazis – hat der Bonner Regisseur und Schauspieldozent Stefan Herrmann (selbst Sohn eines Sinto) nun zusammen mit der Bühnen- und Kostümbildnerin Hedda Ladwig, mit seinem Hauptdarsteller Lucas Sánchez und mit den Flüchtlingen Tipet Baah (Ghana), Yazdan Bahadauri und Rahmatollah Rezaei (Afghanistan) sowie Bob Jara (Mali) ein ambitioniertes Theaterprojekt nach dem Stück „Trollmanns Kampf“ von Björn Bicker gemacht: 75 faszinierende und berührende Minuten auf der Bühne der Brotfabrik. Die auf so dezente wie eindringliche Weise daran erinnern, dass der Begriff „Flüchtling“ das eine ist. Aber dass Namen und Geschichte eines Menschen noch etwas ganz anderes sind: unverwechselbar!

Zwei der vier jungen Männer auf der Bühne des Brotfabrik erzählen, unter welchen oft dramatischen Umständen und vor allem mit welchen Hoffnungen sie nach Deutschland gekommen sind. Ein dritter bereitet derweil seine Landesspezialität „Bolani“ zu und verteilt sie großzügig im Publikum. Der vierte schlägt die Trommel – sozusagen den Puls dieser außergewöhnlichen Sportlerbiografie, die – abgesehen von dem Dokudrama „Gibsy“ (2013) – bis heute auf eine Verfilmung wartet. Ein Leben, das über 15 Runden geht und dabei ein beständiger Kampf ums Überleben ist, den Trollmann 1944 in einem Außenlager des KZ Neuengamme verlieren wird.

Denn er gehört einem Volk an, das von den Leuten als „Zigeuner“ beschimpft wird. Als er seine Boxkarriere startet, mögen es „nur“ die üblichen Vorurteile sein, mit denen er sich herumzuschlagen hat: Er sei ein Trickser, ein Täuscher. Sei's drum: Rukeli avanciert alsbald zum Publikumsliebling: in Hannover und in Berlin. Er genießt seine neue Freiheit, sich nicht mehr mit Eltern, drei Schwestern und fünf Brüdern die enge Wohnung teilen zu müssen und vermisst zugleich diese familiäre Geborgenheit.

Trollmann trägt die gelbe Hose mit dem Aufdruck „Gibsy“, als er im Kampf um die deutsche Meisterschaft gegen Adolf Witt am 9. Juni 1933 von den Funktionären betrogen werden soll, auf Druck des Publikums schließlich doch den Siegeskranz trägt und acht Tage später einen Brief des Boxverbandes erhält, der ihm den Titel aberkennt. Und er trägt sie bei seinem letzten öffentlichen Auftritt im Ring am 21. Juli 1933 mit blond gefärbten Haaren und weiß gepudertem Gesicht. Er steht nur da und steckt die Schläge ein, anstatt „zigeunerhaft herumzutanzen“.

Es sind vor allem diese Momente, die Sánchez vor der Kulisse einer mit Etagenbetten ausgestatteten Flüchtlingsunterkunft auf beeindruckende Weise meistert – mit Stolz und dem Willen, sich nicht unterkriegen zu lassen. Das gleiche wünscht er auch seinen Mitspielern; wo immer sie ihr Weg auch hinführen und über wie viele Runden er auch gehen mag.

Das Leben geht über 15 Runden: 30. Januar, 20 Uhr, Brotfabrik, Kreuzstraße 16, Karten in den Bonnticket-Shops der GA-Zweigstellen.

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