84 000 Fans rocken am Ring

"Rock am Ring", das war in diesem Jahr, zumindest auf der Centerstage, viel Pop-Musik. Als Headliner begeisterten Coldplay und Kings Of Leon.

Nürburgring. Das Feuerwerk am Ende der Show von Coldplay hätte man sich am Samstag bei "Rock am Ring" beinahe sparen können. Denn fast gleichzeitig brach am Himmel über dem Nürburgring ein Gewitter los, das die Mitternacht mit seinen Blitzen taghell erleuchtete. Ein pyrotechnische Meisterleistung der Natur, die das von Menschenhand entfachte Feuerwerk ein bisschen in den Schattens stellte.

Die Fans der britischen Band, die am Samstag als Headliner das Programm auf der Centerstage beendeten, ließen sich vom Regen, der schon seit einiger Zeit auf sie niedergeprasselt war, kaum beeindrucken.

Fotos Jede Menge Bilder vom FestivalSie hingen Leadsänger Chris Martin gleichsam an den Lippen, der sich an diesem Abend äußerst charmant gab und seine Empathie für Tausende tropfnasse Menschen auf dem Asphalt mit Gene Kellys "Singin' In The Rain" zum Ausdruck brachte, das er am bunt bemalten Klavier sitzend improvisierte. Das Publikum wusste die Geste zu schätzen, freute sich aber noch mehr, als es mit "Cemeteries of London" weiterging.

Coldplay ging mit einem Mix aus älteren und neuen Stücken auf die Bühne, deren besondere musikalische Atmosphäre auch ohne die aufwendigen Lichteffekte gewirkt hätte. In Stücken wie "Yellow" oder "Viva la Vida" und "Violet Hill" blieben sie sehr nah an den Platten-Arrangements, wobei Leadgitarrist Jonny Buckland immer wieder eine sehr eigene Farbe mit hohem Wiedererkennungswert einbrachte.

Neben den Klassikern stellte Chris Martin aber auch ein neues Stück vor: "Major Minus" - unverkennbare vier Minuten Coldplay. Die letzte Zugabe passte, was den Feuchtigkeitsgehalt anging, prima zum Wetter: "Every Teardrop Is A Waterfall".

"Rock am Ring", das war in diesem Jahr, zumindest auf der Centerstage, viel Pop-Musik. Vor Coldplay war unter anderem die Brit-Pop-Band "The Kooks" zu hören. Mit seinem opernhaften Bombast-Pop wirkte das britische Duo Hurts, das mit Streichquartett, Operntenor und Balletttänzerin angereist war, in dem Rock'n'Roll-Umfeld ein wenig fremd.

Aber das Duo zeigte, dass es neben den aktuellen Hits "Stay" und "Wonderful Life" eine ganze Menge zu bieten hat. Und Xavier Naidoos "Söhne Mannheims" bedankten sich beim "Rock am Ring"-Publikum dafür, "dass ihr uns an diesem Abend wie Rockstars habt fühlen lassen". Wer es lieber eine Nummer härter mochte, hatte sich an diesem Samstag eh längst an der Alternastage eingerichtet, wo es mit Bands wie Disturbed, In Flames oder Korn richtig heftig zur Sache ging. Ein Paradies für Headbanger.

Am Freitag war es am selben Ort noch ein bisschen ruhiger gewesen. Die beiden deutschen Bands Madsen und Selig sind mit ihrem Alternative-Rock von den aggressiven Metal-Klängen noch ein gutes Stück weit entfernt. Selig begeisterte mit Liedern wie "Sie hat geschrien" oder "Ohne dich".

Und mit "Wir werden uns wiedersehen", das sie naturgemäß zum Schluss spielten. Zuvor hatten die drei Madsen-Brüder mit ihrem Publikum Geburtstag gefeiert. Leadsänger Sebastian Madsen war an diesem Tag 30 geworden. Dazu waren sogar die Eltern der Madsens zum Nürburgring gereist.

Eine andere Familien-Band sind die Amerikaner "Kings of Leon", die den Freitagabend als Headliner auf der Centerstage abschlossen. Die Brüder Caleb, Jared und Nathan Followill, die als Söhne eines Althippies und Wanderpredigers groß wurden, machen mit Unterstützung ihres Cousins Matthew Followill großartigen Southernrock, der sich mit Alternitive und Blues mischt.

Calebs unverkennbare, schneidende Stimme zwingt zum Zuhören. Das Publikum feierte die jüngste Erfolgssingle "Pyro" ebenso wie die Hits "Use Somebody" und "Sex On Fire" kurz vor Ende ihres Sets. Als sie noch "Black Thumbnail" nachschoben, setzte der Exodus der Fans ein. Vor den Kings Of Leon spielte der beste Schweden-Import seit Abba: Mando Diao.

Bei ihrem Auftritt versank die Sonne plüschigrot vor einem grandiosen Eifelpanorama. Das Bilderbuch-Naturschauspiel bot eine ideale Kulisse für die Retro-Show der Schweden. Für ihr - ursprünglich für die MTV-Unplugged-Reihe arrangiertes - Akustik-Set hatten sie ein Bühnenbild wie aus einem Theaterstück aufbauen lassen - mit Teppich, Tütenlampen und roten Vorhängen im Hintergrund. Ein Streichquartett-Ensemble bot das musikalische Äquivalent dazu.

Die Schweden, die mit Björn Dixgård und Gustaf Norén gleich zwei Frontmänner an den Mikros haben, lehnen sich an Vorbilder wie den Beatles oder The Who an, denen sie selbstbewusst ihre eigenen Stücke entgegensetzen, die selbst längst zu Klassikern geworden sind. Ihre Songs funktionieren hart und roh ebenso wie in akustischer Klangwatte verpackt.

Das zeigt sich etwa bei dem frühen, von Gustaf Norén gesungenen Song "Sheepdoog", dessen rasante Gitarren-Hookline auch in extremer Dehnung noch plastisch herüberkommt. Auch der von Björn Dixgård mit phänomenaler Energie gesungene Hit "Dance With Somebody" ist ein wandlungsfähiges Stück, das die Band als mitreißende Steigerung inszenierte.

Als letzter Headliner war für Sonntagnacht der Auftritt von "System Of A Down" angekündigt. Die amerikanischen Armenier um Frontmann Serj Tankian befanden Rock am Ring als würdige Bühne für einen Band-Neustart. Kein Wunder: 84 000 Besucher bieten da eine tolle Kulisse.

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