Bonn im Roman Akif Pirinçci: "Felidae"
Der Katzenkrimi "Felidae" von Akif Pirinçci spielt in den verwinkelten Gärten der Südstadt.
"Wenn Sie meine Geschichte tatsächlich hören wollen - und ich empfehle Ihnen eindringlich, sie zu hören - so müssen Sie sich zunächst mit dem Gedanken vertraut machen, dass Sie keine angenehme Geschichte hören werden."
Wer als unbekannter Nachwuchsautor seinen Roman mit sprachlichen Ausholbewegungen dieser Art beginnt, der verscheucht potenzielles Publikum bereits im ersten Satz. Normalerweise.
Zahlreiche Zeitgenossen nahmen die Hürde trotzdem und ließen sich, ein Vierteljahrhundert ist es her, auf ein ungewöhnliches Abenteuer ein, das mit einem Umzug beginnt. Gustav und Francis beziehen einen versifften Altbau. Der fettleibige Gustav schreibt Kurzkrimis für Frauenzeitschriften und macht sich im gemeinsamen Haushalt maximal als Dosenöffner verdient. Das heißt: Gustav öffnet die Futterbüchsen für Francis, seinen Kater. Der Vierbeiner ist Hauptperson und Ich-Erzähler im Roman "Felidae" des Schriftstellers Akif Pirinçci aus dem Jahr 1989.
Der Autor lebt seit den Achtzigern in der Südstadt
Wenn Sie diesen Artikel tatsächlich lesen wollen, so müssen Sie sich mit dem Gedanken vertraut machen, dass Sie keine Geschichte über politische Pamphlete hören werden. Pirinçcis umstrittenes Buch "Deutschland von Sinnen" (2014) ist nicht Thema dieser Serie, die Bestsellerreihe "Felidae" des Bonner Autors ist es sehr wohl.
Pirinçci kam am 20. Oktober 1959 in Istanbul zur Welt, er wuchs in der Eifel auf und lebt seit den achtziger Jahren in der Südstadt. Auch wenn Bonn im Roman namentlich nicht erwähnt wird, so lässt sich das Revier des Katers Francis leicht identifizieren. Der Autor musste nur aus dem Fenster schauen, um die passenden Schauplätze für seinen Kriminalfall zu finden.
"Die Aussicht war einfach paradiesisch", legt Pirinçci seiner vorlauten Mietze ins Maul. "Unser Viertel bestand aus einem etwa zweihundert Mal achtzig Meter großen Rechteck." Die Beschreibungen passen beispielsweise auf das Karree zwischen Bonner Talweg, Heinrich-von-Kleist-Straße, Königstraße und Prinz-Albert-Straße. "Hinter diesen Häusern breitete sich ein verschlungenes Netz von unterschiedlich großen Gärten und Terrassen aus, die von hohen verwitterten Ziegelsteinmauern eingegrenzt wurden."
Das ideale Betätigungsfeld für den neugierigen Francis. Denn der bekennende Klugscheißer besitzt außerordentliche kriminalistische Fähigkeiten. Er findet in den Südstadtgärten die Leichen einiger Artgenossen und wittert ein Komplott. Auf dem Weg zur Fundstelle des liquidierten Deep Purple begutachtet Francis mit Kennerblick die typischen Giebelfenster einiger "dieser bis zur Unkenntlichkeit renovierten Altbauten". Möglicherweise verbergen sich hinter solchen Expertisen auch Spurenelemente von Sozialneid, denn Pirinçci war noch brotloser Künstler, als er diese Zeilen notierte.
Deep Purple jedenfalls liegt leblos auf dem Motorrad von Peter Fonda. So heißt dieser Dosenöffner - tagsüber Postbote, abends Easy Rider. Pirinçci arbeitet sich auf diese Weise am Zeitgeist ab, feiert oder versenkt Kultfilme und kennt sich aus in den Plattenregalen der damaligen Generation 25 plus. Und er beschreibt Südstadtstenze wie Archie mit erlesenen Sentenzen: "Alles, was er zu sein scheint, scheint Schein zu sein."
Liest sich fast wie große Literatur. Doch der Autor kann und will auch anders: "Von mir aus hätte man dieses dämliche Arschloch auch zu Hundefutter verarbeiten können." Bereits in diesem Frühwerk wird sichtbar: Pirinçci kann Sprache, geht förmlich auf in der Melodie schöner Sätze - und zerstört den schönen Schein im nächsten Moment mit vulgärem Vokabular und halbstarken Wortschöpfungen. Ein Autor von Sinnen.
Bonn oder nicht Bonn, das ist nicht die ausschlaggebende Frage: Wohnquartiere dieser Art existieren in vielen Städten, und so finden sich Leser aus allen Provinzen in "Felidae" gut zurecht. Bonner allerdings verorten die Schauplätze schnell in der Südstadt. Das beginnt bereits auf Seite 15 mit dem "Einparken zwischen zwei Kastanien". Schumannstraße. Oder so. "Felidae" wurde kurz nach Erscheinen bundesweit zum Bestseller. Noch im Dezember 1989 drückte der Goldmann Verlag die vierte Auflage ins Weihnachtsgeschäft. Und schon bald war Autor Pirinçci wirtschaftlich in der Lage, in der Bonner Südstadt einige Altbauten nach seinen Vorstellungen zu renovieren.
Der Erfolg hat noch weitere Namen, Cujo und Pünktchen zum Beispiel. Pirinçcis Hauskatzen standen gewissermaßen Pate beim Dichten. Das Wesen der Spezies spielt eine wichtige Rolle im Krimi: In einem Glossar liefert der Autor wissenschaftliches Begleitmaterial über das Sexualverhalten und Putzfimmel der Tiere.
1994 kam die Verfilmung von "Felidae" ins Kino
Pirinçci verfasste sieben weitere Katzenkrimis. Bereits 1992 überraschte er mit dem Thriller "Der Rumpf" über einen behinderten Mann, dem - ohne Arme und Beine - der perfekte Mord gelingt. Insgesamt hat Akif Pirinçci bei Goldmann 3,3 Millionen Bücher (Stand Juli 2015) verkauft, wie der Münchener Verlag auf GA-Anfrage erklärt.
1992 war es auch, als Pirinçci auf seiner Südstadtterrasse mit Gästen aus der Filmbranche ein besonders Projekt besprach. Die Münchener Firma Senator Film wollte "Felidae" als Zeichentrickfilm ins Kino bringen. Zwei Jahre später feierte das Werk Premiere.
[gaserie]Produzent Hanno Huth hatte sich nicht lumpen lassen und mit Ulrich Tukur, Uwe Ochsenknecht, Mario Adorf und Klaus Maria Brandauer die erste Garde der Synchronsprecher verpflichtet. Boy George sang den Titelsong. Der Streifen trat 1994 in Konkurrenz zu "Forrest Gump", "König der Löwen" und "Der bewegte Mann" - und brachte es trotzdem auf rund 275 000 Besucher. Nicht nur wegen der bezaubernden Gartenanlagen.