Bonner Autor Akif Pirinçci glaubt, Deutschland sei von Sinnen

BONN · Am Ende seines Buches "Deutschland von Sinnen: Der irre Kult um Frauen, Homosexuelle und Zuwanderer" wendet Akif Pirinçci sich an die "deutsche Frau".

Und der Bonner Autor, der mit Katzenkrimis ("Felidae") berühmt wurde, sagt zu ihr: "Deine vornehme Aufgabe ist es, mit einem liebenden Mann eine Familie zu gründen und Kinder zu gebären. Hört sich zwar wie ein Ruf aus dem Mittelalter an, doch das ist nun einmal der weibliche Weltenlauf."

Pirinçci leidet an der deutschen Gegenwart. An der Flucht vieler Frauen aus der Ehe, die sie aufgeben, um, so sieht er es, auf dem illusionären Pfad der Selbstverwirklichung enttäuscht zu werden; der unangemessenen Wertschätzung der Homosexualität, die ihren Ausdruck in der Forderung nach Homo-Ehe und Adoptionsrecht finde; zuletzt leidet Pirinçci an den Muslimen in Deutschland.

Nicht an allen, wohlgemerkt: "Es ist nicht von der Mehrheit der Muslime die Rede, die friedliebend, anständig und Allah einen guten Mann sein lassend unter uns leben, sondern von jenen, die als steinzeitlich religiöse Spaltpilze in unserer Moderne agieren." Der Autor weiß, dass er nicht in allen Milieus auf Zustimmung hoffen darf. "Ist mir egal, ob das spießig klingt", kommentiert er seine Ausführungen über die Homosexualität. Heterosexualität sei sakral. "Alle anderen sollen sich erst mal hinten anstellen." Auch den Vorwurf, ein "Islamhasser" zu sein, nimmt der Mann mit den türkischen Wurzeln gleichsam achselzuckend in Kauf.

Mit seinem Buch wolle er darlegen, "wie es dazu kam, dass eine hochgradig sexualisierte, politisch aggressive und religiös fundierte Gemeinschaftsideologie wie der Islam hierzulande den Rang einer heiligen Kuh erklomm". Anteil daran hätten Politik ("Bande von Berufsparasiten") und "linksversiffte Presse".

Die Beispiele dürften ausreichend illustrieren, womit man es bei Pirinçci zu tun hat. Sein beim Publikum erfolgreiches Buch ist Polemik und Pamphlet zugleich: wie mit Schaum vor dem Mund geschrieben, häufig herzlos und geschmacklos, bisweilen grob satirisch. Literarische Brillanz und intellektuelle Tiefe, wie sie die Meisterin des Genres, Oriana Fallaci, 2001 in ihrem Buch "Die Wut und der Stolz" unter Beweis stellte, sucht man vergeblich.

Doch Pirinçcis Leiden an den Verhältnissen, seine psychischen Verletzungen erscheinen ebenso authentisch wie die Leidenschaft, mit der er sich an der Zeitgeist-Autorin Sibylle Berg, der verschwurbelten amerikanischen Wissenschaftlerin und Feministin Judith Butler, den Grünen und ihrem aasigen Repräsentanten Jürgen Trittin abarbeitet. Und an der hochpathetischen Verständniskultur in deutschen Feuilletons für Migranten.

Bisweilen trifft seine auch Pöbel-Akzente nicht scheuende Prosa durchaus ins Schwarze. Der Erfolg, die Sprache, die Inhalte von Pirinçcis Werk haben zahlreiche Vertreter des Feuilletons alarmiert. Mit teilweise kuriosen Folgen. Ijoma Mangold stellte in der "Zeit" fest: "Der Meinungsvielfalt hat das Buch einen Bärendienst erwiesen." Pirinçci sei ein "verschärfter Sarrazin". Mangolds Analyse gipfelte in der bizarren Pointe: "Wer immer sein Wort erhebt gegen die Diskursvorherrschaft von Gender-Mainstreaming, Steuerstaat, Rauchverbot, Konstruktivismus und Adoptionsrecht für Homosexuelle, findet sich jetzt in der Gesellschaft von Akif Pirinçci wieder." Auch ein Weg, um gesellschaftliche Debatten zu tabuisieren.

Caroline Fetscher legte im Berliner "Tagesspiegel" noch eine Schippe drauf. Pirinçcis Kernthese fasste sie so zusammen: "In Deutschland dominieren suspekte Adepten der political correctness die Medien und das ,kulturelle Leben'." Der Autor schildere diese Clique in einem "schillernden Cocktail aus schrillen Ressentiments, er mixt ein Gebräu, das Abertausende gerne zu sich nehmen". Und dann kommt es: "Gemeinsamer Nenner der an Anders Breiviks ,Manifest' zum Massaker erinnernden Tirade ist ,schlussendlich ein vor allem von den Grünen im Laufe von dreißig Jahren installiertes Gutmenschentum, dessen Fundament aus nichts als Lügen besteht'".

Gemeinsamer Nenner? Manifest zum Massaker? Zur Erinnerung: Der Norweger Anders Breivik ist ein verurteilter Mörder, er war 2011 verantwortlich für den gewaltsamen Tod von 77 Menschen. Der Meinungsfreiheit, so viel steht fest, hat Caroline Fetscher mit ihrem gewagten Vergleich einen Bärendienst erwiesen.

Akif Pirinçci: Deutschland von Sinnen: Der irre Kult um Frauen, Homosexuelle und Zuwanderer. Manuscriptum, 276 S., 17,80 Euro.

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