Geiger Daniel Hope im Interview Akkordarbeiter in der Traumfabrik

Köln · Der Geiger Daniel Hope spricht über sein neues Buch, das von Musikern handelt, die vor den Nazis in die USA flohen und für Hollywood Filmmusik schrieben. Jetzt war er zu Gast bei der Lit.Cologne.

 Daniel Hope auf seinem Hollywood-Album (Deutsche Grammophon).

Daniel Hope auf seinem Hollywood-Album (Deutsche Grammophon).

Foto: Malandruccolo/DG

Der berühmte Geiger Daniel Hope erinnert in seinem Buch „Sounds of Hollywood“ (Rowohlt, 19,95 Euro) an jene europäischen Musiker, die in den 30er Jahren nach Amerika emigrierten. Gestern las Hope bei der Lit.Cologne. Mit dem Musiker sprach .

Was hat den Anstoß für dieses Buch gegeben?
Daniel Hope: Seit 15 Jahren beschäftige ich mit Musik aus Theresienstadt. Das kam eher zufällig, als ich eines Abends im Autoradio Musik von Gideon Klein hörte. Die hat mich so gefesselt, dass ich rechts ranfahren musste, um herauszufinden, was das war. Das führte mich auf eine lange Recherchereise, die bis heute andauert.

Wie kommt Hollywood ins Spiel?
Hope: Ich habe mich dann doch gefragt, wie es jenen erging, die eben nicht nach Theresienstadt gebracht wurden, sondern nach Amerika fliehen konnten. Außerdem liebe ich die Hollywoodfilme der 30er und 40er Jahre, vor allem wegen ihres Soundtracks.

Ihr Buch zeigt, dass es gerade europäische Avantgarde-Komponisten in Hollywood schwer hatten. Wer ist für Sie ein besonders tragisches Beispiel?Hope: Eric Zeisl, ein genialer Komponist mit großer Zukunft. Er versuchte in Hollywood Fuß zu fassen, konnte aber die krasse Umstellung beim Schreiben nicht verkraften. Er hat sich dann öffentlich von der Filmwelt distanziert und ist arm und viel zu jung gestorben. Oder Erich Wolfgang Korngold, der zwar in Hollywood Erfolg hatte, in Europa dann aber mit dem Vorwurf geächtet wurde, er hätte seine Seele verkauft.

Sie treten ja der Verachtung der Filmmusik durch die elitäre Musikkritik entgegen.
Hope: Wenn man sich die Kompositionen von Korngold, Hanns Eisler, Max Steiner oder Miklós Rózsa anhört, muss man sagen: Das ist wirklich großartige Musik. Das Tempo, in dem geschrieben wurde, diktierte die Industrie – und die Musiker mussten viel arbeiten, um ihre Familien aus Europa nachholen zu können.

Meine Lieblingsanekdote ist die von Arnold Schönberg, der sich mit MGM-Tycoon Irving Thalberg anlegte...
Hope:...klar, ein Schönberg war es gewohnt, der Boss zu sein und absolute Kontrolle zu haben. Als er dann auch noch die Schauspieler coachen wollte, zerschlug sich das Projekt natürlich.

Wer hat die Filmmusik damals am stärksten bereichert?
Hope: Korngold und Steiner, die mit ihrer Leitmotivtechnik groß komponierte Filmpartituren im Sinn einer Oper geschaffen haben. Auch Franz Waxman, ein brillanter Kopf, der ebenfalls unverdient in Vergessenheit geraten ist.

Welcher der Orte, die Sie in Hollywood besucht haben, hat Sie am stärksten beeindruckt?
Hope:Im Haus von Arnold Schönberg zu sein und mit seinem Sohn und seiner Schwiegertochter zu sprechen, die übrigens zugleich die Tochter von Eric Zeisl ist. Denn dieses Haus ist fast wie ein Museum, da steht noch der Stuhl, von dem aus er unterrichtet hat. Man hat das Gefühl, er kommt in jedem Moment herein. Das war inspirierend und melancholisch-bewegend.

Sie haben ein Album zu diesem Buch gemacht, „Escape to Paradise“, das den Bogen bis zu John Williams schlägt.
Hope:John Williams sagt selbst, dass er ohne Korngold nie Filmkomponist geworden wäre. Wenn man etwa seine ,Star Wars'-Musik mit Korngold-Werken vergleicht, bemerkt man große Ähnlichkeiten.

Ist Filmmusik heute weniger kunstvoll?
Hope:Damals saßen Leute in den Studios, die Orchestrierung bei Maurice Ravel studiert hatten. Heute kann man auch mit Laptop und Songprogramm Klänge schaffen. So sind mir jetzt diejenigen am liebsten, die wirklich noch schreiben, wie Hans Zimmer, Thomas Newman und Alexandre Desplat.

Nach dem Hollywood-Album legen Sie nun ein neues vor: „A Tribute to Yehudi Menuhin“.
Hope:Ich bin durch einen Zufall mit ihm groß geworden. Mein Vater hatte sich als Schriftsteller kritisch über das Apartheidsregime in Südafrika geäußert, und wir mussten das Land verlassen. In England wurde uns rasch das Geld knapp. Meine Mutter ging händeringend auf die Suche nach einem Job. Und nach ein paar Fehlstarts bekam sie ein verblüffendes Angebot: Sekretärin beim Erzbischof von Canterbury oder bei Yehudi Menuhin zu werden. Sie entschied sich glücklicherweise für Menuhin – sonst würden wir uns jetzt nicht unterhalten.

Wieso kommt das Album jetzt?
Hope:Ich bin normalerweise kein Freund von Jubiläen. Aber da wir jetzt 100 Jahre Menuhin feiern, wovon 25 Jahre meine Geschichte und die meiner Familie sind, dachte ich, es sei an der Zeit, einen sehr persönlichen Tribut zu kreieren.

Da gibt es ja Stücke, die Sie mit ihm gespielt haben...
Hope:...sowie Werke, die für ihn komponiert wurden oder die er, wie Mendelssohns D-Moll-Violinkonzert, entdeckt hat.

Auch dieses Projekt wurzelt ja in einer Emigration.
Hope: Ja, und schon meine Großeltern mussten ja vor den Nazis nach Südafrika fliehen. Diese Flüchtlingsschicksale gehören zu meiner DNA.

„Escape to Hollywood“ und „A Tribute to Yehudi Menuhin“ bei Deutsche Grammophon.

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