350. Todestag Alle wollen Rembrandt sehen

Die Welt begeht in diesem Jahr den 350. Todestag des großen Malers Rembrandt. Mit dabei: Köln, Den Haag und Abu Dhabi.

 Selbstbildnis unter der Lupe: Arbeit aus dem Jahr 1630.

Selbstbildnis unter der Lupe: Arbeit aus dem Jahr 1630.

Foto: picture alliance/dpa

Als Rembrandt starb, erlosch zunächst auch sein Ruhm. Zwar hielten ihm Sammler die Treue über seinen Tod hinaus, doch der Klassizismus verdrängte rasch die barocke, dramatische Hell-Dunkel-Malerei, die Rembrandt und Caravaggio berühmt gemacht hatte.

Heute dagegen erstrahlen die beiden nur vorübergehend untergegangenen Sterne am Firmament der Malerei heller denn je.

350 Jahre nach Rembrandts Tod am 4. Oktober 1669 in Amsterdam nehmen die Welt und vor allem Europa diesen von der Zahl her eher krummen Gedenktag zum Anlass, den bedeutendsten Maler des Goldenen Zeitalters der Niederlande mit einer überbordenden Fülle von Ausstellungen zu feiern. Der Reigen reicht vom Louvre in Abu Dhabi bis zum Agnes Etherington Art Centre der Queen‘s-Universität im kanadischen Kingston, vom Amsterdamer Rijksmuseum bis zum Wallraf-Richartz-Museum in Köln.

Bildliches Erzählen

Was konnte Rembrandt, das andere nicht konnten? Vieles kam bei ihm zusammen. Heute, im Zeitalter des Narrativs, fällt der Blick zuerst auf seine Kunst des bildlichen Erzählens. Wie in unseren Tagen die Überzeugung herrscht, dass sich Dinge nur vermitteln lassen, wenn man sie mit einer Geschichte umgibt, war schon Rembrandt davon überzeugt: Szenen aus der Bibel und aus der Mythologie packen die Betrachter nur dann, wenn sie bewegt sind, wenn Moses gerade die Gesetzestafeln zerbricht oder die Persönlichkeiten der „Nachtwache“ schreiten und gestikulieren.

Die „Nachtwache“ ist Rembrandts bekanntestes Werk, unbestrittener Mittelpunkt der Ausstellung „Alle Rembrandts“, mit der das Amsterdamer Rijksmuseum zurzeit die Kunstwelt lockt. Damit es sich im Notfall rasch von der Wand nehmen lässt, hat man es so befestigt, dass es mit dem unteren Rand des Rahmens auf einer kaum sichtbaren Halterung lagert, während oben zwei abnehmbare Ketten das Bild senkrecht halten. Sicher ist sicher.

Das riesige Gemälde zeigt eine Bürgerwehr aus dem 17. Jahrhundert, eine von damals vielen, denn die Niederlande rangen im Achtzigjährigen Krieg um ihre Loslösung von der spanischen Krone. 1648, wenige Jahre nach Fertigstellung des Bildes, krönte der Westfälische Friede diese Bemühungen.

Die „Nachtwache“ enthält vieles, das Rembrandt berühmt machte. Das sind neben der Bewegtheit der Szene vor allem die effektvollen Kontraste zwischen Hell und Dunkel, welche die Personen im Vordergrund wie unter einem Spotlight erscheinen lassen; außerdem der schwarze Hintergrund, aus dem sich die Figuren schälen, die individuelle Zeichnung der Charaktere und vielleicht auch die Tatsache, dass der Künstler sich wie in vielen seiner Bilder im Hintergrund selbst dargestellt hat. Die Gesichtszüge der angestrahlten Frau links der Bildmitte ähneln derjenigen seiner Ehefrau Saskia. Und auch dies waren Markenzeichen Rembrandts: die detailgenaue Wiedergabe von Haut und von innerer Bewegtheit.

Darüber hinaus rühmen die Gelehrten immer wieder die Menschlichkeit, die zumal aus seinen grafischen Werken spricht, zum Beispiel aus dem Hundertguldenblatt. Die Radierung zeigt „Christus, dem die kleinen Kinder gebracht werden“. Rembrandt war durch und durch (evangelischer) Christ, ein Mensch mit Mitgefühl für die Schwachen und Benachteiligten. Liebe, Sexualität, Leiden und Tod waren seine Themen.

Er setzte sie – dies ein weiteres Markenzeichen – mit seinem speziellen Strich in Szene, spontan und zugleich präzise, lässig, oft skizzenhaft und doch in meisterhafter Komposition. Sein Blick galt oft verborgener Schönheit, zugleich verstand er sich auf die Wiedergabe von Brutalität.

Eines seiner bedeutendsten Gemälde ist „Die Blendung Simsons“ aus dem Frankfurter Städel. Die Szene aus dem Alten Testament zeigt den Richter Simson, wie er, seiner körperlichen Stärke beraubt, von Kämpfern bedrängt wird und am Ende sein Augenlicht verliert.

Die Spannbreite der Darstellung von Simson, der „Opferung Isaaks“ und dem „Gastmahl des Belsazar“ bis zu anrührend stillen Szenen wie der „Judenbraut“ und der „Rückkehr des verlorenen Sohnes“ sorgt wie die übrigen genannten Merkmale dafür, dass die Menschen Rembrandt bis heute bewundern. Mit Pinsel und Stift durchmisst er Höhen und Tiefen des menschlichen Lebens bis an dessen Ende, wie es im Gemälde „Die Anatomie des Dr. Tulp“ aus dem Mauritshuis in Den Haag erscheint. In einem sogenannten anatomischen Theater erklärt der Arzt Dr. Tulp seinen Zunftkollegen, Studenten sowie Honoratioren, wie er bei der Sezierung des vor ihm auf einem Tisch liegenden Toten vorgeht. Rembrandt war erst 25, als er diese Szene mit den festlich gekleideten Zuschauern malte. Doch die Schattierung der je von einer Halskrause umgebenen Gesichter erscheint schon in diesem Bild meisterhaft gespenstisch.

Zeitlebens hat Rembrandt auch sich selbst gemalt, gezeichnet und radiert, hat sich gnadenlos beim Altern beobachtet und davon Zeugnis abgelegt. Bekannt und geheimnisumwoben ist vor allem sein „Selbstbildnis als Zeuxis“, ein Werk, das er sechs Jahre vor seinem Tod schuf und das im Kölner Wallraf-Richartz-Museum hängt. Es bezieht sich auf Zeuxis, den Maler der Antike, der sich angeblich zu Tode lachte, als er eine hässliche alte Frau porträtieren sollte. Vielleicht, so mutmaßen Wissenschaftler, ist das Bild selbstironisch: Der große Maler erkennt wenige Jahre vor seinem Tod seine eigene Überheblichkeit und Sterblichkeit.

Schon von 1638 an hatte Rembrandt in seinem Aufstieg zu einem der populärsten Maler des Goldenen Zeitalters die ersten persönlichen Rückschläge erlitten. Innerhalb weniger Jahre starben seine Tochter Cornelia, seine Mutter und eine weitere Tochter, die Schwester seiner Frau, Titia, und seine Frau Saskia selbst. 1656 schloss sich der wirtschaftliche Konkurs an. Der Tod in Armut war nahe.

Falsche Zuschreibungen

Was Rembrandt nicht mehr erlebte und was ihn womöglich mit Genugtuung erfüllt hätte, war die große Anzahl von falschen Zuschreibungen, die unter seinem Namen den Kunstmarkt fluteten. Das Amsterdamer Rembrandt Research Project begann 1968 damit aufzuräumen und legte 2014 seine Ergebnisse vor. Nachdem es zwischenzeitlich die Zahl der echten Rembrandts auf 250 halbiert hatte, befand es am Ende 70 bereits als Fälschungen oder falsche Zuschreibungen erkannte Werke wieder für echt. Der „Mann mit dem Goldhelm“ aus der Gemäldegalerie Berlin allerdings findet sich nicht darunter. Dabei prunkt er doch in Rembrandts bevorzugten Farben Gold und Braun ganz so, als wär‘s ein Stück von ihm.

Folgende wichtigen Ausstellungen sind im Rembrandt-Gedenkjahr 2019 zu sehen (wir bieten eine Auswahl): Rijksmuseum Amsterdam: „Alle Rembrandts“ aus der eigenen Sammlung, bis 10.6.

  • Mauritshuis Den Haag: „Rembrandt und das Mauritshuis“, bis 15.9.
  • Rembrandthuis Amsterdam: „Rembrandts soziales Netzwerk. Familie, Freunde und Bekanntschaften“, bis 19.5.
  • Louvre Abu Dhabi: „Rembrandt, Vermeer und das niederländische Goldene Zeitalter“, bis 18.5.
  • Museum De Lakenhal Leiden: „Der junge Rembrandt“, 3.11. bis 9.2.2020
  • Kunstsammlungen Dresden: Kupferstich-Kabinett, „Rembrandts Strich“, 14.6. bis 15 .9.
  • Agnes Etherington Art Centre, Queen‘s University, Kingston, Kanada: „Leiden um 1630: Rembrandts Anfang“, 24.8. bis 1.12.
  • Wallraf-Richartz-Museum Köln: „Rembrandt inside“, 1.11. bis 1.3.2020
Meistgelesen
Neueste Artikel
Die Stunde der Sieger
Abschluss Deutscher Musikwettbewerb in Bonn Die Stunde der Sieger
Zum Thema
Aus dem Ressort