Limes-Ausstellung in Bonn Als Bonn römisch war

Bonn · Das LVR-Landesmuseum erzählt die Geschichte vom „Leben am Limes“ aus der Perspektive der Menschen. Bonner Beitrag zu Archäologischen Landesausstellung NRW „Roms fließende Grenzen“

 Prunkvoller römischer Ritterhelm: Blick in die Ausstellung „Roms fließende Grenzen. Leben am Limes“ im LVR-Landesmuseum.

Prunkvoller römischer Ritterhelm: Blick in die Ausstellung „Roms fließende Grenzen. Leben am Limes“ im LVR-Landesmuseum.

Foto: Benjamin Westhoff

Es war ein Klumpen  aus korrodiertem Metall,  ein undefinierbares Ding, was die Archäologen in Erkelenz  da aus der Erde  zogen, erzählt  Kuratorin Susanne  Willer. Das unansehnliche Fundstück entpuppte sich als Sensation: Bei dem Metallklumpen handelte es sich  um die Fragmente eines Klappsessels aus dem ersten Jahrhundert nach Christus. Ein „absolutes Unikat“, wie Willer versichert. Und es waren genügend Fragmente vorhanden, um das antike Mobiliar von einem Schmied unserer Tage nachbauen zu lassen. In der Ausstellung „Roms fließende Grenzen. Leben am Limes“ im LVR-Landesmuseum Bonn zählt der römische Klappstuhl zu den Attraktionen.

Er gehört übrigens zum Ensemble eines äußerst edlen Frauengrabs, zu dem auch eine Reihe von kunstvollen Beschlägen aus Schildpatt gehört, die Götterköpfe für das Jenseits darstellen. Der ganze Komplex dokumentiert mehr als einen Hauch von Luxus auf dem Land fernab von Rom.

Neueste Erkenntnisse der Forschung

Bonn klinkt sich mit „Leben am Limes“ in die Archäologische Landesausstellung NRW ein, weitere Beiträge sind in Detmold, Xanten, Haltern am See und Köln zu sehen. Traditionell zeigt die Schau neueste Erkenntnisse der Forschung und dokumentiert Ausgrabungen der jüngsten Zeit. Dabei liefern die Bonner eine Punktlandung: Seit Juli gehört der 400 Kilometer lange Niedergermanische Limes entlang des Rheins zwischen dem niederländischen Katwijk und Bad Breisig in Rheinland-Pfalz zum Welterbe der Unesco. Insgesamt 44 archäologische Fundplätze, davon 19 in NRW, wurden damit zum Welterbe erklärt.

Das LVR-Landesmuseum dokumentiert überzeugend, wie bedeutend dieser römische Limes war, der keine Grenze im engeren Sinn darstellte, sondern durch seine Durchlässigkeit und Lage an der Lebensader Rhein einen faszinierenden kulturellen Raum definiert, der vom Austausch, von verschiedenen Populationen, Bodenschätzen, Produktion und Handel und natürlich den großen Militärlagern und angrenzenden Städten geprägt war. Ein sechs Meter langes Modell veranschaulicht die Ausmaße des Niedergermanischen Limes von Rheinbrohl bis Kleve, Animationen werfen Schlaglichter auf die Zeitspanne vom ersten bis weit in das fünfte Jahrhundert.

Das Bonner Legionslager

Bei den Militärlagern spielt der Legionstandort Bonn, der eine außergewöhnliche Kontinuität fast über die gesamte Zeit römischer Präsenz am Rhein aufweist, eine zentrale Rolle. Die Römer errichteten das Bonner Legionslager unter Kaiser Claudius im ersten Jahrhundert im heutigen Stadtteil Bonn-Castell. Das Militär zog Zivilisten an, die die Truppen versorgten. Die Zivilisten wohnten in den Canabae Legionis südlich des Lagers. Weiter im Süden lag der Vicus, eine der größten Siedlungen im Rheinland. 10 000 Menschen wohnten allein im Vicus, 6000 Mann, dazu Familien, Handwerker und Händler, lebten im Legionslager.

Aus der römischen Zeit ist in der Bonner Topografie kaum etwas erhalten, dafür spricht das, was unter Tage gefunden wurde Bände über das Leben und den Lebensstil im „locus Bonna“. Im ersten Raum der Ausstellung informiert ein begehbarer Stadtplan über neun archäologische Hotspots vom Haus der Geschichte, wo im Keller faszinierende Spuren römischen Lebens konserviert wurden, bis zum Römerkran am anderen Ende der Stadt. Betritt man einen der Punkte, erscheint auf der Projektionswand ein kurzer Film über die Objekte, deren Geschichte, Funktion und Bergung. 

Menschen im römischen Bonn

Die Schau wählt die Perspektive der Menschen im römischen Bonn, was schon im Entree mit mehreren Dutzend dokumentierter Namen aus der römischen Zeit anklingt. Manchem wird man im Laufe der Ausstellung wieder begegnen. Wie lebten die Menschen im antiken Bonn, wo kamen sie her, womit beschäftigten sie sich? Die Ausstellung findet viele Antworten. Da sind Haushaltsgerät zu sehen und Spielsachen, Relikte aus dem Laden eines Bonner Schmuckhändlers, darunter Liebesringe mit Aufschrift. Durch einen glücklichen Zufall haben sich Lederreste, Kleidungsstücke und ein Schuh erhalten, die auf Lederproduktion in Bonn hinweisen. Da sich die Soldaten, die etwa aus Syrien, Spanien, Südfrankreich und Italien an den Rhein kamen, hier wohlfühlen wollten, richteten sie sich mediterran ein, was  Mosaike, Reste von Wandmalereien und antikem Bauschmuck zeigen. Ein Hauch von Rom am Rhein. 

Zu jedem Objekt eine Geschichte

Unzählige Fundstücke, zum Großteil aus Gräbern, aber auch Gedenksteine zeichnen ein faszinierendes und facettenreiches Bild der Zeit. Den Kuratorinnen Susanne Willer und Tünde Kaszab-Olschews­ki ist gelungen, zu fast jedem Exponat eine Geschichte zu erzählen. Wie die des römischen Ritters, dessen kunstvoller, mit einer kleinen Imperatorenbüste geschmückter Helm eine Krankheitsgeschichte verrät. Der Ohrenschutz wurde versetzt, der Nackenschirm angeschrägt. Warum? Der Ritter hatte offenbar durch eine Halsmuskelverletzung einen schiefen Hals,  medizinisch: Torticollis. Der Helm fungierte gewissermaßen als orthopädische Stütze, wie Willer verrät. Man lernt nie aus. 

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