Haus der Geschichte Am Ende der Waschstraße

Bonn · "Geliebt. Gebraucht. Gehasst.": Grandiose Schau über die Deutschen und ihre Autos im Bonner Haus der Geschichte. 800 Objekte sind zu sehen, vom DDR-Sportwagen bis zu Günter Jauchs Führerschein

 Staatstragend: Mercedes 600 als Statussymbol der politischen Spitze in der Ausstellung.

Staatstragend: Mercedes 600 als Statussymbol der politischen Spitze in der Ausstellung.

Foto: Benjamin Westhoff

Es ist wirklich ein hochemotionales Thema. Das merkt man allein schon an den erhitzten Gesichtern der am Donnerstagmorgen zahlreich erschienenen Pressevertreter und an den mehr oder weniger selig lächelnden Menschen vom Team des Hauses der Geschichte, die die grandiose Ausstellung „Geliebt. Gebraucht. Gehasst. Die Deutschen und ihre Autos“ in Bonn auf die Räder gestellt haben. Man liebt es, gibt ihm einen Namen, erlebt die große Freiheit in ihm und ärgert sich schwarz im Stau: keine Biografie ohne Berührungspunkte zum Auto.

Man kann sich die Freude des Jungen mit den schulterlangen Haaren vorstellen, der am 7. August 1974 nach bestandener Fahrprüfung seinen „grauen Lappen“ im Berliner Amt abholte: Show-Star Günter Jauch erzählt davon im Interview, der Führerschein liegt (als Faksimile) im Haus der Geschichte neben den Dokumenten von drei weiteren Menschen, deren Leben ebenfalls durch die Fahrerlaubnis eine neue Qualität bekam. Wenige Schritte weiter hängen in der Ausstellung eine Verkehrstoten-Statistik und eine Europakarte, die Deutschland als einziges Land ohne Tempolimit ausweist. Auch hier kochen Emotionen hoch.

Thema ist politisch brisant und soziologisch hochinteressant

Das Haus der Geschichte hat ein Thema aufgegriffen, das politisch brisant und soziologisch hochinteressant ist, das private Erinnerungsräume öffnet, viel zum Lachen und Nachdenken bietet. Und das Haus hat das Thema schlicht wunderbar umgesetzt. Der Besucher betritt die Schau über eine Autowaschanlage – nachdem er das Programm gewählt hat, „geliebt“, „gebraucht“ oder „gehasst“.

In der Waschbox wird ihm eine der Wahl angemessene optische Gehirndusche verpasst. Auf die Bilderflut folgt – stärker konzentriert – die eigentliche Ouvertüre, in der wir die Tragweite des Themas erkennen lernen. „Deutschland – Autoland“, heißt das Kapitel. Man trifft auf den Trabbi „Schorsch“ der frühen Nachwendezeit und die Karriere des West-Gegenstücks VW-Käfer. Geradezu zärtlich streicht Adolf Hitler im Foto über die Motorhaube des Käfermodells, dessen „Vater“ Ferdinand Porsche sichtlich stolz und ergriffen ist. Der schwarze KDF-Wagen („Kraft durch Freude“) der Nazis, Inbegriff völkischer Mobilität und Modernität, mutiert in der Wirtschaftswunderrepublik zum Liebling früher Autoträume, Exportmotor und „tollen Käfer Herbie“ auf der Kinoleinwand.

Der Käfer wird zum Synonym für „Made in Germany“, der VW-Dieselskandal Jahrzehnte später zum Ballast für die deutsche Wirtschaft. Natürlich hätte man in der Schau die Seilschaften der Autolobby, das Handeln des Autokanzlers Gerhard Schröder und seiner ebenfalls autoaffinen Nachfolgerin Angela Merkel etwas tiefgründiger recherchieren müssen. Immerhin wird die Öko-Katastrophe Automobil thematisiert – und es gibt da einem Brief an Kanzler Konrad Adenauer, dem 1951 zum 75. von der Firma ein „Mercedes-Benz mit Innenlenker, Typ 170 S“ leihweise zum privaten Gebrauch angeboten wird. Adenauer nimmt an, bedankt sich artig in bester Werbeprosa für den Wagen, „der in seiner Schnelligkeit, Dauerhaftigkeit und Ausstattung wohl mit zu den besten Personenkraftwagen gehört, die die deutsche Industrie heute herstellt“. Der „Alte“ war der erste Autokanzler.

Die Schau geht vorbei an der raumfüllenden Staatskarosse Mercedes 600 Pullman, in großen Schritten weiter, buchstabiert sich von „A“ wie „Autorennen“ (mit dem tragischen Tod des Grafen Wolfgang Berghe von Trips 1961 in Monza) bis „W“ wie „Wackeldackel“. Der Besucher darf sich im Fahrsimulator versuchen und seine Sinne aktivieren. Wie riecht ein Auto? Maybach eher muffig, Ferrari raubtierhaft. Wie fühlt sich ein Schaltknüppel an? Der vom Jaguar S-Type eindeutig griffiger als der vom Wartburg 353. Und: Erkennen Sie Ihr Auto am Geräusch?

Fantasievolle Kinoträume und die Zukunft des Autos

Man streift den Kino-Manta und kommt in der Autozukunft an. Witzig suggeriert die Schau, die Autoindustrie würde nach und nach die Ideen der Traumindustrie umsetzen: das Auto als Dialogpartner in „Knight Rider“ (1982), als fernsteuerbares Vehikel in James Bonds „Der Morgen stirbt nie“ (1997) und als Rundum-Technikwunder in „I Robot“ (2004). Fast alles schon umgesetzt.

Die Zukunft aber gehört alternativen Antrieben und Mobilitätskonzepten, sicherlich auch selbstfahrenden Autos. Mit der Emotion, das zeichnet sich ab, ist es bald vorbei. Das Ende der Waschstraße im Haus der Geschichte sorgt für Abkühlung und bläst die bösen Vorahnungen einfach weg.

Haus der Geschichte; bis 21. Januar 2018. Di-Fr 9-19, Sa, So 10-18 Uhr. Eintritt frei. Zur Ausstellung ist ein Katalog erschienen. Am 26. März veranstaltet das Haus der Geschichte einen Familiensonntag zum Thema. Ein verwandtes Mobilitätsthema, „Radkultur – 200 Jahre Fahrrad“, wird am 11. Juni aufgegriffen.

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