Gesprächskonzert in Bonn Am Ende gewinnt Chopin

Bonn · Der Entertainer und Mediziner Eckart von Hirschhausen diskutiert im GOP mit Wissenschaftlern und Musikern über die „Magie der Musik“. Eingeladen hatte das Beethoven-Haus.

 Das Gesprächskonzert des Beethovenhauses mit Eckart von Hirschhausen fand im GOP-Theater statt.

Das Gesprächskonzert des Beethovenhauses mit Eckart von Hirschhausen fand im GOP-Theater statt.

Foto: Benjamin Westhoff

Bei der Wahl der Garderobe hatte der Pianist James Rhodes nur leicht danebengegriffen. Denn der Schriftzug auf seinem Sweatshirt, das er für seinen Auftritt bei einem spannenden Gesprächskonzert des Beethoven-Hauses im neuen GOP Varieté Theater übergestreift hatte, prangte nicht der Name Beethovens, sondern derjenige Bachs. Angesichts der bösen Wörter, die der „bad boy of music“ Rhodes in seinem autobiografischen Bestseller „Der Klang der Wut“ (Nagel und Kimche Verlag, 320 Seiten, 22,90 Euro) geradezu inflationär verwendet, ist dies freilich eine sehr harmlose Provokation.

Das Beethoven-Haus hatte das Gesprächskonzert „Magie der Musik“ überschrieben und den Mediziner und Comedian Eckart von Hirschhausen als Moderator sowie weitere Gäste, darunter Bonns designierten Generalmusikdirektor Dirk Kaftan, hinzugebeten. Man sprach über die lebensverändernde Kraft der Musik. Und davon weiß Rhodes eine ganze Menge zu erzählen. „Wie die Musik mich am Leben hielt“, lautet der Untertitel seines Buches, das er, wie er im ausverkauften GOP bekannte, als „Liebesbrief für meinen Sohn“ geschrieben habe. Als Schüler war Rhodes über Jahre von seinem Sportlehrer missbraucht worden. Er schwieg damals darüber, flüchtete sich in autoaggressives Verhalten, nahm harte Drogen, dachte an Selbstmord. Die Menschen, die ihn daran hinderten, hießen Bach und Beethoven und Chopin. Rhodes, der zu der Zeit noch nicht auf professionellem Nevieau spielte, intensivierte als junger Erwachsener seine Übungen, näherte sich auf diese Weise den musikalischen Helden seiner Jugend, die ihn bis heute nicht mehr losgelassen haben und ihn täglich begleiten.

Von klassischen Konzertroutinen hält der wie ein Musiker der Alternative-Rock-Szene auftretende Klassikstar jedoch nichts. „It's boring“, es ist langweilig, findet er. Er vermeidet es deshalb, schon Monate vor seinen Konzerten Programme preiszugeben und moderiert die Stücke, die er spielt, gerne selbst an, um so einen sehr direkten Kontakt zum Publikum aufzubauen. Ein paar Kostproben seiner Strategie, konnte man auch in Bonn erleben. Zum Beispiel im Duo mit dem Musikpsychologen und Hirnforscher Stefan Koelsch, der den Violinpart unter anderem in einem Ausschnitt aus Beethovens „Frühlingssonate“ übernahm.

Koelsch hatte zuvor im Gespräch darüber berichtet, wie bei ihm selbst bei einer ernsten Erkrankung die Musik als „starke regenerative Kraft“ gewirkt habe. Dass dieses Gebiet noch längst nicht genügend erforscht ist, darin war er sich auch mit dem Wissenschaftler und Gründungsdirektor des Deutschen Zentrums für Neurodegenerative Erkrankungen, Pierluigi Nicotera, einig.

Die klassische Musik habe ein Imageproblem, hatte Beethoven-Haus-Direktor Malte Boecker in seinem Eingangsstatement hervorgehoben. Wie man dem entgegenwirken kann, zeigt das Musikfestival Podium Esslingen. „Wir arbeiten sehr stark nach dem Lustprinzip“, erläuterte der junge Festivalmacher Steven Walter, der für sein Konzept bereits mit einem Echo ausgezeichnet wurde. „Ich bin da sehr kulturoptimistisch.“

Von seinen Erfahrungen an seiner Noch-Wirkungsstätte Graz berichtete der Dirigent Dirk Kaftan, der Schüler an Beethovens Neunte heranführt („Am offensten waren die Migrantenkinder“) und auch mal gern Profi- und Laienmusiker zusammenbringt. Für ihn besitzt die Musik „eine große Kraft, aber keine moralische Qualität“. Menschen seien mit Musik in den Krieg gezogen. „Und auch Beethoven wurde für Propaganda missbraucht.“ Kaftan bestreitet allerdings, dass die Klassik sich in der Krise befinde. Er würde sich freuen, sagte er, wenn es in seiner Amtszeit zu einer „Bürgerbewegung für die Musik“ komme. Zum Schluss durften die Bürger im GOP darüber abstimmen, ob James Rhodes ein Stück von Beethoven oder Chopin spielen solle. Das Votum fiel eindeutig aus: Chopin.

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