Show "Brasil Brasileiro" Am Ende tanzen alle Samba
Premierenparty im Londoner Sadler's Wells Theater, Rosebery Room. Kellnerinnen mit brasilianischem Fingerfood. Leuchtend bunt gefederte und paillettenbesetzte ansehnliche junge Damen, die für die Pressefotografen routiniert das Karneval-in-Rio-Klischee bedienen.
Und Ben Kingsley. Der Oscarpreisträger steht, einen eleganten grauen Maßanzug tragend, tiefenentspannt mit einem Mineralwasser in der Hand im Gedränge. Gesprächsthema Nummer eins ist die gerade gesehene, nein, die gerade erlebte und aufgesogene Show "Brasil Brasileiro". Die übrigens rein gar nichts mit dem Karneval-in-Rio-Klischee zu tun hat.
Zwei Stunden zuvor im Theatersaal. Sheila Aquino wirbelt auf atemberaubend hohen, roten High Heels über die Bühne des Sadler's Wells, wo die VIP-Premiere für das Londoner Gastspiel stattfindet. Sheila ist eine der Haupttänzerinnen im 38-köpfigen Ensemble von "Brasil Brasileiro". Sie und ihre Bühnenpartner tanzen und singen, als gäb's kein morgen mehr. Glücklicherweise gibt es aber dann doch einen Morgen: Am nächsten Vormittag ist der Premierenrummel im Sadler's Wells wie weg gewischt.
Das Haus im Londoner Stadtteil Islington ist seit der Grundsteinlegung durch Richard Sadler anno 1683 das sechste Theater an dieser Stelle und Großbritanniens führende Tanzbühne. Im "Pina Bausch Room" sitzt Sheila Aquino mit vier Künstlerkollegen und mit Claudio Segovia, dem Schöpfer und kreativen Kopf von "Brasil Brasileiro". Sheila streicht sich ihre langen braunen Locken hinter die Ohren und sagt: "Bei uns in Brasilien haben wir einen Spruch: Alles endet beim Samba." Sie lächelt. "Es ist wie ein Medikament."
Die furiose Show ist eine Hommage an Brasilien und an den Samba und kommt jetzt erstmals nach Deutschland. Die erste Station ist die Kölner Philharmonie, das Gastspiel dort dauert vom 29. Juli bis zum 10. August. "Brasil Brasileiro" beginnt mit einer Voodoo-inspirierten Eröffnung, weiß gewandeten Männern und Frauen, die auf allen Vieren in einem Kreis hocken und rhythmisch mit den Händen auf den Boden klopfen. Wie daraus Tanz entsteht, das allein ist schon ein choreographisches Meisterstück.
Nach und nach fädeln sich die Musiker des Showorchesters ins Geschehen ein, ganz sanft, ganz sachte, ganz lässig. Hier wirkt nichts aufgesetzt und schon gar nicht angestrengt. Vielmehr schießt dem Betrachter ein Wort durch den Kopf, das sich im Laufe der Show noch häufig melden wird: authentisch.
Die Tanznummern sind für sich bereits Akrobatik, aber die Auftritte der drei Capoeira-Tänzer sorgen für den lautesten Jubel: ein spektakulärer Mix aus verlangsamter Kampfkunst, eingefrorenem Breakdance und Bodenturnen. Ein geschmeidiger wie verblüffender Schattentänzer der besonderen Art. Erstklassige Tanzpaare, die unwiderstehlich Traditionen und Spielarten zitieren. Es wird zunehmend heiß auf der Bühne, wo Maria Tereza Souza ein roter Ohrring herunter fliegt und den Damen ihre Mini-Stretchkleidchen höher und höher rutschen.
Vier Jahre hat der künstlerische Leiter Claudio Segovia damit verbracht, in ganz Brasilien nach passenden Künstlern für seine mitreißende Produktion zu suchen. "Als Theatermensch war es mein Ziel, diese populäre Kultur des Samba für die Bühne zu übersetzen", erläutert Segovia beim Pressegespräch im Pina Bausch Room. "Die Künstler bekommen in meiner Show den Raum und die Freiheit, so zu sein, wie sie sind. Emotionen, Herz, Seele, Leidenschaft - das alles entsteht nur auf diese Weise. Ich will die Leute nicht manipulieren, sondern die Wahrheit auf die Bühne bringen."
"Brasil Brasileiro" in der Kölner Philharmonie (29. Juli bis 10. August), Karten in den Bonnticket-Shops der GA-Zweigstellen.