Inszenierung von Mozarts "Così fan tutte" in der Bonner Oper Amor wird zum Gott des Gemetzels

BONN · Es ist fraglos als unmoralisches Angebot zu werten, das der Philosoph und Menschenkenner Don Alfonso den jungen Männern macht, die in Dietrich W. Hilsdorfs grandioser Bonner Neuinszenierung von Wolfgang Amadeus Mozarts "Così fan tutte" gerade mit ihren Verlobten die prunkvollen Zimmer eines alten Hotels beziehen. Dietrich W. Hilsdorf landet mit seiner Inszenierung in der Bonner Oper einen Volltreffer.

 Abschiedstränen: Ensembleszene aus Mozarts komischer Oper "Così fan tutte" .

Abschiedstränen: Ensembleszene aus Mozarts komischer Oper "Così fan tutte" .

Foto: Thilo Beu

Es geht um eine Wette, in der die Treue der Frauen auf die Probe gestellt wird. Die Freunde Guglielmo und Ferrando glauben etwas leichtfertig, auf das Spiel Don Alfonsos eingehen zu können, weil sie von der unerschütterlichen Standhaftigkeit ihrer Geliebten Fiordiligi und Dorabella überzeugt sind.

Wegen dieser frivolen Versuchsanordnung hat Mozarts "Così" das komplette 19. Jahrhundert in der Bühnen-Verbannung verbringen müssen. Heute erscheint vielleicht gerade die Skrupellosigkeit, mit der die beiden Freunde ihre Liebsten für ihre Wette letztlich missbrauchen, ein sehr moderner Aspekt der Geschichte zu sein: Amor wird hier zum Gott des Gemetzels, um mit Yasmina Reza zu sprechen.

Dass man das Zeitgemäße der Oper nicht unbedingt in modernen Zeiten spielen lassen muss, zeigt Hilsdorf in Bonn auf frappierende Weise. Angesiedelt ist die Geschichte im späten 18. Jahrhundert, in der Zeit also, in welcher Mozart und sein Librettist Lorenzo da Ponte sie ersonnen haben, Renate Schmitzers Kostüme sind entsprechend eine Augenweide.

Das feudale Hotelzimmer hat Bühnenbildner Dieter Richter mit Liebe zum Detail gebaut. Das feine Rokoko-Mobiliar inklusive Tischgruppe und Doppelbett, der sorgfältig verlegte Fußboden und die schon mit leichter Patina behafteten Wände sind der perfekte Ort für die Liebeswirren, denen das Quartett sich bald ausgesetzt sieht. Das Publikum erlebt hier ein Kammerspiel erster Güte.

Hilsdorf inszeniert die Geschichte mit viel psychologischem Einfühlungsvermögen, und es sind oft kleine Ideen, an denen dies festgemacht werden kann. Dass Guglielmo und Ferrando anfangs Bärte tragen, später aber, wenn sie - laut Libretto - als Albaner verkleidet sich an die jeweilige Braut des anderen heranmachen, stehen sie auf der Bühne ohne Bart und Verkleidung da, als würden sie in dieser Rolle erst ihr wahres Ich und wahre Empfindungen zeigen.

Dass man es hier immer noch mit einer Komödie zu tun hat, vergisst Hilsdorf freilich nicht. Im Gegenteil: Es ist schon witzig, wenn Don Alfonso, nachdem er seine Intrige erfolgreich auf den Weg gebracht hat, das Publikum um Applaus bittet und sich in der ersten Reihe niederlässt, während das Orchester im Graben die Instrumente auf die neue Situation buchstäblich "einstimmt". Oder wenn Zimmermädchen Despina sich mit dem Frühstückstablett dem Bett der verlassenen Frauen nähert, die es ihr unvermittelt mit zorniger Wucht aus der Hand treten.

Die Sopranistin Sumi Hwang leidet als Fiordiligi besonders heftig. Und schön. Ihre Miene ist meist ernst, ihre Augen traurig, melancholisch, wie ihr Gesang. Die Tiefe und emotionale Intensität, mit der die junge Sopranistin die große Arie "Per pietà, ben mio perdona" gestaltete, ging unter die Haut.

Die ein wenig leichtfertigere Dorabella findet in Kathrin Leidig eine vortreffliche Darstellerin, die ihrer Figur nicht durch Übertreibung, sondern durch feine Nuancen ein klares Profil verleiht. Und auch sie singt dazu ganz großartig. Tamás Tarjányi lässt als ihr abtrünniger Verlobter Ferrando seine lyrische Tenorstimme vor allem im zweiten Akt voll zur Wirkung kommen. Den etwas raubeinigeren Guglielmo singt Giorgos Kanaris mit markanter Baritonfärbung, die seine Darstellung kraftvoll unterstreicht.

Auch das dritte Paar ist perfekt besetzt: Priit Volmer gibt als Don Alfonso selbstgerecht und bassmächtig den Strippenzieher, Despina, die es an Lebensklugheit mit dem zweifelhaften "Philosophen" durchaus aufnehmen kann, wird von Susanne Blattert gesungen, deren Mezzosopran die Partie perfekt meistert. Und sie spielt ihre Rolle durchtrieben, ohne zu übertreiben.

In der bizarren Maskerade als ein dem Mesmerismus huldigender Arzt erweist sie sich als Vollblutkomödiantin. Fast schade, dass ihr Auftritt als Notar gestrichen wurde. Auch auf den Chor muss man in Bonn verzichten. Nicht aber auf den sehr präsenten, lebendigen Mozartklang aus dem Orchestergraben.

Hendrik Vestmann leitet das Beethoven Orchester mit Leidenschaft, die aber auch Raum für filigrane Momente mit betörenden Holzbläserfarben lässt. Und am Continuo-Hammerflügel extemporierte Christopher Sprenger immer mal wieder humorige Anspielungen auf andere Mozart-Werke. Das Publikum war von alldem sehr begeistert und spendete lange und stehend Applaus.

Aufführungen

11. Dezember, 16. Januar, 18. und 28. Februar, 6. März, 3. und 10. April. Karten in den Bonnticket-Shops der GA-Zweigstellen.

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