András Schiff experimentiert im Kammermusiksaal

Im Kammermusiksaal des Beethoven-Hauses gastierte der gefeierte Pianist mit einem außergewöhnlichen Instrument. Allein der Anblick bedeutete puren Augenschmaus.

Bonn. Für die Einspielung aller 32 Beethovenschen Klaviersonaten verwendete András Schiff je nach Ausdrucksgehalt einen anderen Flügel mit anderem Grundtimbre: den eher brillant klingenden Steinway und den eher weich tönenden Bösendorfer.

Doch damit ist die Experimentierlust des klangverliebten Ungarn noch nicht gestillt. Im Kammermusiksaal des Beethoven-Hauses gastierte Schiff jetzt mit einem (etwa 1820 gebauten und Franz Brodmann zugeschriebenem) Hammerflügel aus eigenem Besitz. Allein der Anblick dieses Instruments bedeutet puren Augenschmaus.

Individuell auch der Klang. Das Timbre ändert sich je nach Lage und Anschlagsstärke: hinter jeder Taste steckt eine Persönlichkeit. Und so kostbar und verfeinert wie der sechsoktavige Flügel war auch das Spiel des Pianisten, der am Instrument Platz nahm.

In das gewichtige, reine Beethoven-Programm mit der Sonate op.111 und den Diabelli-Variationen geleitete Schiff mit den sechs Bagatellen op.126. Die spielte er mit einer wunderbaren Gelassenheit, die der Musik Raum zum Atmen und zur Entfaltung ihrer stillen, ins Sonderbare spielenden Poesie bot. Schiff sucht nicht das Exzentrische, Extrovertierte.

Umso mehr kann er sich auf die Details konzentrieren, auf Spannungsbögen, auf Nebenstimmen, auf winzige Tempoveränderungen, kurz: darauf, die Musik zum Sprechen zu bringen. So auch in der Sonate op.111. Nicht, dass Schiff im ersten Satz den packenden Zugriff scheute.

Die kantige Anfangsmotivik bekam das nötige Gewicht, das Hauptthema die impulsive Kraft. Doch während sich viele Spieler danach wie in einem Strudel verlieren, behielt Schiff die künstlerische Kontrolle und spielte gleichermaßen leidenschaftlich wie glasklar.

Zeitlupenhafte Langsamkeit sei kein Garant für Tiefsinn, hat Schiff einmal geäußert. Daran hielt er sich auch in der Arietta. Das Thema erhielt bei ihm einen herrlich sanften Schwung und bildete ein Muster an Gesanglichkeit, die die "Kälte und Hitze" (Thomas Mann) der folgenden Variationen erst wirklich fühlbar machte. Grandios schließlich die Diabelli-Variationen. Hier bot er noch einmal seine genialen Charakterisierungskünste auf und gestaltete jede Variation als kleine Szene.

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