Festival "West off 2014" Anna Kpoks Stück "1H12MIN" im Theater im Ballsaal

Bonn · "West off 2014" ist ein Netzwerk-Projekt freier Theaterhäuser in NRW, dem FFT Düsseldorf, der studiobühneköln und Theater im Ballsaal in Bonn. Seit fünf Jahren gibt es das Projekt, das freie Theatergruppen fördert.

 Blonde Perücken, statische Gesten: Szene aus Anna Kpoks Produktion im Rahmen von "West off 2014". FOTO: LILIAN SZOKODY

Blonde Perücken, statische Gesten: Szene aus Anna Kpoks Produktion im Rahmen von "West off 2014". FOTO: LILIAN SZOKODY

Seit zwei Jahren werden die Gruppen von Juroren der drei Bühnen ausgewählt. 20 Bewerbungen von Nachwuchskünstlern gab es in diesem Jahr. Zu den Gewinnern gehört das Stück der Regisseurin Anna Kpok "1H12MIN eine Chorarbeit in 24 Teilen à 3 Minuten", mit dem das Theaterfestival diesmal in Bonn eröffnet wurde.

Das Stück von Anna-Lena Klaptor, die Szenische Forschung an der Ruhr-Universität Bochum studiert, ist sehr erfrischend. 24 ausdrucksvolle Bilder bringt sie mit elf Schauspielern und Schauspielerinnen auf eine leere dunkle Bühne. Die Szenen werden von düsterer, manchmal sphärischer Musik, Live-Bassbegleitung und zum Schluss sogar mit einer Klangschale untermalt. Bilder, Worte, Musik und ungewohnte Bewegungsfolgen wie monotone andauernde Schrittfolgen, die Darsteller tragen wasserstoffblond glänzende Perücken, unter ihnen Anna Kpok selbst.

"Das menschliche Individuum in einer Gesellschaft, in der alles immer mehr kontrolliert wird, ohne dass man es direkt merkt", sagt Anna-Lena Klaptor später im Gespräch. Neigungen, Geschlecht und sogar die eigene Zukunft werden unmerklich bestimmt, vermitteln die Figuren.

Das Missverhältnis zwischen Eigen- und Fremdwahrnehmung kommt immer wieder in der Sprache zum Ausdruck. "Meine Angst ist ein Emblem in Sicherheit", sagt eine Frau. "Ich bin eine Nummer, ich erfülle ein Klischee, ich bin eine Ressource, ich habe eine Vergangenheit, ich bin jung", sagen die Schauspieler im Chor und schauen den Zuschauern dabei freundlich und sanft lächelnd in die Augen.

Es wird dunkel und wieder hell. Die Figuren liegen zusammengewürfelt am Boden und tauschen Zärtlichkeiten aus oder sind wie Schaufensterpuppen aufgehäuft, deren blasse Arme und glänzende Perücken leuchten. Wortspiele um Zeit, Stille und Atem folgen in anderen Bildern. "Inspiriert wurde ich von Sarah Kanes '4.48 Psychose', und zwar von ihrer sprachlichen Kraft und ihrer Präzision im Sagen, was sie meint", sagte Klaptor, die viele der Texte selbst geschrieben hat, nach der Premiere.

Eigentlich hatte sie Literatur Sarah Kanes auf die Bühne bringen wollen, jedoch die Aufführungsrechte nicht bekommen. Sie musste improvisieren. "Ja, mein Stück könnte man als friedliche Revolution bezeichnen."

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