Rainald Grebe in der Bonner Oper Ansichten einer Patchwork-Kunstfigur

Bonn · Kabarett-Expressionist Rainald Grebe gastierte mit seinem grandiosen „Solo Spezial“ in der ausverkauften Bonner Oper. Das Erstaunlichste ist, dass ein derart schräger Nonkonformist wie Rainald Grebe derart massenkompatibel ist. Es sei ihm gegönnt.

 Winnetou, Alm-Öhi und Playboy-Bunny in einem? Gestaltwandler Rainald Grebe in der Bonner Oper.

Winnetou, Alm-Öhi und Playboy-Bunny in einem? Gestaltwandler Rainald Grebe in der Bonner Oper.

Rainald Grebe ist anders. Das fängt schon damit an, dass er aus dem Publikum heraus startet. Eine kauzige Gestalt mit Trainingshose, Tutu, angeklebtem Rauschebart, Indianerhäuptlingsfedern und Hasenohren tapst im ausverkauften Bonner Opernhaus in der Reihe „Quatsch keine Oper!“ Richtung Bühne. Grebe, ein Kabarett-Expressionist par excellence, präsentiert ein „Solo Spezial“, was sich auch in seiner Garderobe widerspiegelt: „Ich habe von sieben Soloprogrammen etwas angezogen, damit irgendwas abfärbt.“ Und: „Ich danke jetzt schon der Firma Aspirin complex, deren Pulver mich hoffentlich durch den Abend tragen wird.“ Wird es. Mühelos sogar.

Die Patchwork-Kunstfigur redet sich erst einmal formvollendet in Rage; eine Disziplin, die Rainald Grebe vorzüglich beherrscht. Auf einer großen Bühnenleinwand wird ein Video eines Roboter-Fußballspiels gezeigt, welches Grebe mit hohem Blutdruck kommentiert, als ginge es um sein Leben. Tatsächlich ist das Spielgeschehen grottenlangweilig, die kleinen Roboter fallen andauernd um.

Auch aus solchen Kontrasten speist sich der absurde Humor des Mannes, der aus Frechen stammt. Später am Abend wird er seinem hometown, einem „Gewerbegebiet mit Wohneinheiten“, ein Lied widmen. Ein wenig sentimental darf es schon sein – schließlich habe er dort, „am Nachtschalter von Texaco“, seinen ersten Kuss erhalten.

Unterstützt wird Grebe bei seinem Bonner Gastspiel von Franz, dem Geräuschemacher sowie Licht- und Tontechniker. Da wird der Soundcheck auch mal mitten ins Programm verlegt: Grebe spricht mit enormem Hall oder hochgepitcht wie Micky Maus. Seine skurrilen Lieder (jeweils begleitet von Gitarrist Markus) mit doppelten Böden, überraschenden Borsten und heimtückischen Widerhaken beschäftigen sich mit der Website www.gelee.de, mit Robinson Crusoe und mit Nostalgie: „Als Bonn noch Hauptstadt war“. Für Grebe ein Symbol der guten, alten Zeit, in der die Computer noch Adler, Triumph und Olivetti hießen.

In dieselbe Richtung geht ein weiterer Einspielfilm, der mit versteckter Kamera in einem Hörsaal der Universität Hannover aufgenommen wurde – und der Grebes Humorverständnis wunderbar ausdrückt, ganz ohne Worte. Jeder Student hat einen aufgeklappten Laptop vor sich, während der Professor vorne an der Tafel (die gibt es dann doch noch) doziert. Da kommt ein Mann in die laufende Vorlesung, nimmt in der letzten Reihe Platz und zieht eine mechanische Schreibmaschine aus einem Beutel. Diese stellt er vor sich auf, spannt einen Bogen Papier ein und fängt an, mitzutippen. Die Studenten drehen sich um und blicken den Mann entgeistert an, so als säße dort der Yeti persönlich. Grebe, der Querkopf, der Kontrapunkte setzt.

Vor allem natürlich mit seinen Liedern. Morgens wacht er „mal wieder besoffen“ auf und stellt fest, dass sich in seiner Wohnung drei Chinesen eingenistet haben. Mir doch egal, denkt Grebe, ich lass' mich gern von China überholen und dreh' mich noch mal um. Auch für Stillstand in einer Beziehung findet er passgerechte Worte: „Er und Sie / Das ist wie ein Remis / In einer Schachpartie / Von Kasparow und Karpow / Man kennt sich halt“.

Das Erstaunlichste ist, dass ein derart schräger Nonkonformist wie Rainald Grebe derart massenkompatibel ist. Es sei ihm gegönnt.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Die Stunde der Sieger
Abschluss Deutscher Musikwettbewerb in Bonn Die Stunde der Sieger
Zum Thema
Aus dem Ressort