Anti-Mick-Jagger mit Brille

Elvis Costello & The Imposters im Forum der Bundeskunsthalle Bonn

  Der Gentleman:  Elvis Costello zog während seines Konzerts die Anzugjacke nicht aus.

Der Gentleman: Elvis Costello zog während seines Konzerts die Anzugjacke nicht aus.

Foto: Horst Müller

Bonn. Es war ein perfektes Konzert: inspiriert, kraftvoll, poetisch, witzig, exaltiert und tiefmelancholisch zugleich. Declan Patrick McManus, der sich seit den siebziger Jahren Elvis Costello nennt, und seine Band The Imposters spielten zweieinhalb Stunden lang auf einem Schwindel erregenden Niveau, feuerten Hits wie "Alison" und "Watching The Detectives" ab, streiften die Burt-Bacharach-Phase des Sängers und Songwriters und tauchten hinein ins faszinierende Universum des aktuellen Albums "The Delivery Man".

Costello und seine Imposters, Steve Nieve (Keyboards), Davey Faragher (Bass) und Pete Thomas (Schlagzeug), hätten eigentlich auf dem Museumsplatz auftreten sollen; weil zu wenig Leute das Konzert sehen wollten, zog die Band ins Forum der Bundeskunsthalle um. Ein Umzug, kein Abstieg: Die Zuhörer kamen in den Genuss eines exklusiven Club-Konzerts.

Costello hatte sich fein gemacht, er erschien im gediegenen Anzug, mit Krawatte und glanzvollem Schuhwerk: die Edelvariante früherer Bühnen-Kostüme. Das Konzert des 1954 in London geborenen und in Liverpool aufgewachsenen Künstlers endete nicht, wie manchmal zu hören, mit dem Song "I Want You". Das 1986 für das Album "Blood And Chocolate" entstandene, erschütternd intensive Lied will Costello offensichtlich nicht durch zu häufige Wiederholung beschädigen. Stattdessen sang er "The Scarlet Tide": auch ein Lied mit emotionaler Tiefenwirkung. Das mit Henry Burnett geschriebene Stück gehört in der Interpretation von Alison Krauss zu den Höhepunkten des "Cold Mountain"-Soundtracks. Costellos brüchige, sehnsuchtsvoll heisere Stimme zeichnete den im Song thematisierten Grenzgang zwischen Leben und Tod nach. Ein paar Zeilen sang er einige Schritte vom Mikrofon entfernt, unplugged: ein magischer Moment.

Costello ist ein Mann der rauen Töne und der zarten Zwischentöne. Er kann rocken wie in "I Can`t Stand Up For Falling Down" und "Monkey To Man" oder seine Seele entblößen, wenn er, ganz zart, Zeilen singt wie "I`m sorry I made you cry". "Needle Time" vom aktuellen Album hingegen zeichnete mit Steve Nieves kreischender Orgel ein gruseliges Bild psychischer Wunden. Costello gönnte sich an diesem Abend keine Pause, er suchte und verband die Gegensätze zwischen brachialem Rock und dem erlesenen Balladenton des Albums "North" von 2003. Seine Stimmen wisperte und fauchte, jubelte und gellte.

Kein Typ spektakulärer Bühnenakrobatik, sozusagen der Anti-Mick-Jagger mit Brille, verharrten Costello und seine ständig wechselnden Gitarren immer am selben Fleck. Dafür erheiterte er das Publikum mit locker-absurden Zwischentexten, um im nächsten Augenblick die Leute im Parkett mit "Country Darkness" gleichsam in Trance zu versetzen. Als ein Fan auf die Bühne sprang, um "Watching The Detectives" mitzusingen, ließ Costello ihn, nachsichtig und amüsiert zugleich, gewähren. Cool. Ansonsten offenbarte der Bandleader sich als energischer Perfektionist, der mit knappen Handbewegungen Sound und Lautstärke kontrollierte.

Costello und seine Kollegen bauten meisterhaft die Spannung von Songs wie "The Delivery Man" auf. "Alison", die alte Nummer aus den Siebzigern, mündete wunderbar passend in einen anderen Klassiker: "Suspicious Minds". In diesem Augenblick war offensichtlich, dass in Costello ein echter Elvis steckt.

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