Jubiläumsschau des Kunstmuseums Aquarellen und Zeichnungen August Mackes in Bonn

Bonn · Das Kunstmuseum schlägt eine Brücke bis zur Eröffnung des neuen August Macke Museums im Oktober. Zu sehen sind Bilder einer Tunisreise - ein koloristisches, atmosphärisches Erweckungserlebnis.

 Farbeerlebnis in Tunis: August Mackes Aquarell "Blick auf eine Moschee" (1914)

Farbeerlebnis in Tunis: August Mackes Aquarell "Blick auf eine Moschee" (1914)

Völlig begeistert schreibt August Macke seiner Frau Elisabeth am 10. April 1914 aus Tunis: „Ich habe heute schon sicher 50 Skizzen gemacht. Gestern waren es 25. Es geht wie der Teufel, und ich bin in einer Arbeitsfreude, wie ich sie nie gekannt habe“, schwärmt er, „die afrikanische Landschaft ist noch viel schöner wie die Provence“. Wenige Tage später notiert er in sein Tagebuch: „Früh vor der Stadt gemalt, leicht zerstreutes Licht, mild und klar zugleich.“

Am 13. April besuchen Macke und seine Reisegefährten Paul Klee und Louis Moilliet am Nachmittag Sidi Bou Said, wo wahrscheinlich das hier abgebildete Aquarell mit dem „Blick auf eine Moschee“ entstand. Ein wunderbares Blatt von einer strahlenden Farblichkeit, das von dem Kontrast der symmetrischen Eingangssituation, hingetupften Figuren und asymmetrisch gruppierten Architekturteilen lebt. Die 15-tägige Tunisreise war ein koloristisches, atmosphärisches Erweckungserlebnis für den jungen Maler, ein letzter Höhepunkt seines so kurzen und so überbordenden Schaffens. Fünf Monate nach der Reise fiel Macke 27-jährig an der Front in der Champagne.

50 Zeichnungen und Aquarelle aus eigenem Museumsbestand

Was dieses Tuniserlebnis in dem Maler ausgelöst hat, lässt sich gerade im Kunstmuseum Bonn erahnen, vergleicht man sein märchen- und klischeehaftes Blatt „1001 Nacht“ von 1913 mit den 1914 in Tunis entstandenen lebendigen Eindrücken, die mal schnappschussartig spontan wirken, mal akkurat komponiert und mit Verve umgesetzt.

Eine Handvoll erlesener Tunisbilder schließt die Jubiläumsausstellung des Kunstmuseums ab, die mit 50 Aquarellen und Zeichnungen aus eigenem Macke-Bestand (insgesamt 200 Blätter) sämtliche Facetten des Werks beleuchtet. Zählt man die rund 30 Gemälde Mackes der Dauerausstellung hinzu, bietet sich den Besuchern eine exquisite Ausstellung, um weltweit Museen Bonn beneiden dürften. Quasi aus dem Stand gelingt hier eine hochkarätige Werkschau – Spiegelbild einer klugen Ankaufs- und Erwerbungspolitik und des großzügigen Engagements vieler Sammler, vornehmlich die Familie Macke, die dem Haus Blätter schenkte oder Dauerleihgaben zur Verfügung stellte.

„Macke ist so etwas wie die DNA des Hauses“, sagt Kunstmuseumsintendant Stephan Berg und verweist auf die Anfänge einer professionellen Sammlungspolitik in Bonn mit dem Erwerb von Mackes Zeichnung „Seiltänzer“ im Jahr 1948 und dem gleichnamigen Gemälde im Jahr darauf. Ferner nennt er das auf Macke fußende Profil des Hauses: „Malerei, Farbe, Licht“. Berg sieht die Ausstellung auch als Brückenschlag zur Eröffnung des neuen August Macke Museums (Macke Haus plus Erweiterungsbau) im Oktober.

Kurator Volker Adolphs hat eine spannende Auswahl getroffen, die alle wichtigen Phasen des Malers zeigt. Frühe Zeichnungen sind darunter, Porträts seiner Elisabeth und weiterer Familienmitglieder, Skizzenblätter, Ausblicke aus dem Wohnhaus an der Bornheimer Straße, Impressionen von der Bonner Nordstadt. Macke war der Natur und der Landschaft zugetan, was sich in Zeichnungen aus dem heimischen Garten wie vom Tegernsee zeigt. Fasziniert hat ihn die Welt der Zirkusleute, wovon eine Serie zeugt. Ein untypisches Motiv für Macke jedoch ist eine Ziegelei mit rauchenden Schloten in der Bonner Region. Geradezu verkrampft gibt er 1912 den Industriebau in der oberen Bildhälfte wieder, während er sich viel freier und in wunderbaren Pastelltönen der naturhaften Bühne in der unteren Bildhälfte widmet.

Das Experiment Abstraktion deutet sich hier an. 1913 beschäftigt sich Macke intensiver mit den Strömungen der Zeit, versucht sich im Kubismus, Futurismus und in der Abstraktion. Ohne letztendlich von der Gegenständlichkeit abzurücken. Adolphs hat eine „Abstrakte Form“ neben „Leute bei den Reihern“ (beide 1913) gehängt, um zu zeigen, wie subtil Macke die Abstraktion in seinen Bildkosmos einbaute. Das ebenfalls dort hängende Aquarell „Kinder im Gemüseladen“ zeigt die Auslage des Geschäfts in abstrakter, schwerelos hingetupfter Auflösung.

Mackes unbeschwerter, unmittelbarer Zugriff auf die Welt – in dieser Schau kann man ihn spüren.

Kunstmuseum Bonn; bis Anfang November. Di-So 11-18, Mi bis 21 Uhr

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