"Theater an der Ruhr" Archivübergabe an die Uni Köln

KÖLN · "Uns wuchs es über den Kopf", gesteht Helmut Schäfer. Seit 1980 leitet er mit Roberto Ciulli das Mülheimer "Theater an der Ruhr", dessen Archiv am Montag vollständig an die Theaterwissenschaftliche Sammlung der Universität Köln auf Schloss Wahn übergeben wurde.

 Mit dem Blick auf neue Schätze: Roberto Ciulli (links) und Peter W. Marx in Wahn.

Mit dem Blick auf neue Schätze: Roberto Ciulli (links) und Peter W. Marx in Wahn.

Foto: Peter Gauger

Deren Direktor Peter W. Marx fühlt sich "reich beschenkt". In Wahn logieren nun Fotografien von Aufführungen sowie atmosphärische Schnappschüsse der Arbeit hinter den Kulissen, außerdem Figurinen, Kritiken und die berühmten Bühnenbildmodelle von Gralf-Edzard Habben. Da sieht man im Miniaturformat die blutrote Arena für Shakespeares Schlachtfest "Titus Andronicus" oder eine stählerne Grabkammer für "Antigone".

Marx freut sich über ein "mehr als gepflegtes Archiv". Die Anbahnung des Projekts leistete sein Vorgänger Elmar Buck, bei dem Schäfers Angebot auf fruchtbaren Boden fiel: "Ja, darauf bin scharf!", sagte Buck sofort.

"Wollte jemand demnächst ein Theater gründen, könnte er an diesem Material sehen, wie das bei uns 1980 professionell bewerkstelligt worden ist", erklärt Schäfer. Und Ciulli (78) ergänzt: "Schloss Wahn ist ein schöner Platz, auch deshalb, weil wir uns in den 70er Jahren am Kölner Schauspiel die Gründung des Theaters an der Ruhr ausgedacht haben."

Die anvisierte Überwindung des Stadttheaters glückte beispielhaft, so dass Marx hier geradezu den Prototyp einer lebendigen Bühne sieht. Deren Archiv soll keinesfalls verstauben, sondern wird stets fortgeschrieben. Einerseits liefert das Theater mit fast 40 Produktionsaufzeichnungen plastischen Anschauungsunterricht, andererseits soll es in Video-Interviews Rückkopplungen zwischen Studenten und Künstlern geben.

Da Ciullis Bühne beim "Seidenstraßen"-Projekt 2001 durch Zentralasien reiste, macht sich der gebürtige Mailänder um seinen damaligen Türöffner und Übersetzer Bolat Atabajew aktuell größte Sorgen. Dem Kasachen drohen zwölf Jahre Haft, weil er sich für streikende Ölarbeiter eingesetzt hatte. Ciulli fordert die Freilassung seines Freundes - und liefert auch damit ein Beispiel lebendigen Theaters.

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