Arp-Museum Rolandseck feiert Maler Karl Otto Götz

Es gibt Fotos, die muss man gesehen haben, um das Phänomen Karl Otto Götz zu begreifen.

 Karl Otto Götz, hier vor dem Bild "Nirak", wird zur Eröffnung am Sonntag, 11 Uhr, erwartet.

Karl Otto Götz, hier vor dem Bild "Nirak", wird zur Eröffnung am Sonntag, 11 Uhr, erwartet.

Foto: Franz Fischer

Remagen. Es gibt Fotos, die muss man gesehen haben, um das Phänomen Karl Otto Götz zu begreifen. Siegfried Kühl hat 1959 in einer Bilderstrecke im Düsseldorfer Atelier des Künstlers festgehalten, wie dieser energisch, mit ausholender Geste die am Boden liegende Leinwand bearbeitet, ja traktiert.

Mit dem langen Pinsel und der Rakel, einem Instrument, mit dem man breitflächig die Farbe verteilen kann. Götz hatte damals erste Triumphe hinter sich, war auf der Biennale Venedig und der documenta vertreten. Das Informel galt als Sprache der Zeit - und auch die Geste zählte dazu.

Es gibt ähnliche Aktions-Fotos von Götz' Kollegen Gerhard Hoehme und Jackson Pollock. Extreme Dynamik trifft auf rekordverdächtige Schnelligkeit, das Bild wird durchgearbeitet ohne den Ballast des Gegenständlichen, ohne die Illusion des Raumes. Was zählt, ist die Anmutung des Augenblicks, die eruptive Geste, die Farbe.

Arp Museum Bahnhof Rolandseck, Remagen; bis 8. August. Di-So 11-18 Uhr.
Eröffnung: Sonntag, 11 Uhr. Katalog (Kerber) 29 Euro.
Eröffnet wird auch die Ausstellung "Simone Demandt - Dunkle Labore".
Weitere Informationen unter arpmuseum.orgUnd der Künstler ist "in Erwartung blitzschneller Wunder", so die Zeile aus einem Gedicht von Götz, die seiner fesselnden Ausstellung im Arp-Museum Bahnhof Rolandseck den Namen gab. Selten hat ein Titel so gepasst.

Mit einer Einschränkung: Die Wunder sind schon da, an der Wand, und der oft als malereifeindlich kritisierte Meierbau dient als ideale Hülle für eine Kunst, die bis auf wenige Ausnahmen zeitlos und unglaublich frisch anmutet.

Das gilt auch für eine gerade einige Monate alte Arbeit des Künstlers: Ein flotter Farbschwung, der über drei Platten aus Meissner Porzellan hinwegfegt. Götz hat die Malerei noch immer im Handgelenk, sehen kann er sie fast nicht mehr.

Der wohl älteste praktizierende Künstler Deutschlands ist gerade 96 Jahre alt geworden, fast blind, hinfällig, auf den Rollstuhl angewiesen. Wer aber in seiner Kunst Spuren eines abgeklärten Alterswerks sucht, wird kaum fündig. Jüngere Arbeiten sind zwar oft in der Farbe reduziert, das Risiko des formalen Experiments steckt jedoch noch drin.

Beispiel "Menetekel I 2011" von 2008: Das Bild, das aus zwei hohen schwarzen Balken auf hellem Grund besteht, die von feinen hellgrauen, mit der Rakel gezogenen Farbspuren berührt werden, zeigt die Twin Towers als Mahnmal.

Vor nicht einmal zehn Jahren bewältigte Götz das über fünf Meter breite "Jonction II", ein grandioses Werk mit titanisch aufeinander losgehenden Farbkräften, geradezu gestauchten Passagen und fast lyrischen Momenten. Emotion, Gewalt, höchste Anspannung: Wer weiß, dass dieses Werk 1991 unter dem Eindruck der Deutschen Einheit entstand, lernt es zu lesen.

Es gibt in dieser Schau, die einem Zeitraum von 1942 bis zur Gegenwart umfasst, viel zu lernen. Zum Beispiel, wie planvoll Götz bisweilen vorgeht, und wie ungeheuer spontan das Ergebnis aussieht. "Otella" (1986) ist das Initialwerk der Serie der Giverny-Bilder, benannt nach dem Garten Monets.

Eingeklemmt zwischen einer dunkel wabernden Nebelbank und einer aggressiven spitzen schwarzen Form (Reminiszenz an Götz' "Fakturen" von 1945) entfaltet sich ein schillerndes Gespinst unterschiedlichster Blautöne.

Was aussieht, als habe er es einer schnellen Intuition folgend auf die Leinwand geworfen, wurde minutiös geplant und austariert: Kleine Kugelschreiber-Skizzen und ein Gouache-Entwurf sind in der Schau zu sehen.

Die Ausstellung präsentiert frühe Arbeiten, die ihre Wurzeln im Surrealismus haben, den Geist von Mirò, Klee, Kandinsky, Baumeister und Arp atmen. Spannend, mit entscheidenden Werken wird der Umbruch Anfang der 50er Jahre dokumentiert, als Götz von der Ölfarbe auf die flüchtige, viel leichter zu vertreibende Kaseinfarbe umstieg und die Rakel einsetzte.

Der Besucher lernt die Grundschemata kennen, die sich seit 1954 im Oeuvre durchsetzten. "Wasserfälle, U-Bootbilder, Kringel, Wirbel, Grotten oder Rüsseltiere" nennt er sie im Werkstatt-Jargon. Der Künstler meditiert, legt los "und dann knallt es richtig", sagt die Kuratorin Barbara Nierhoff-Wielk. Man hört den Knall noch heute.

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