Musik für das Beethovenjubiläum 2020 Auch David Bowies Pianist macht mit

Bonn · Die ersten 100 Stücke sind da: Damit ist eine wichtige Marke für Susanne Kessels Komponistenprojekt „250 Piano Pieces for Beethoven“ erreicht. Auch Bowie-Pianist Mike Garson hat ein Stück abgeliefert.

Susanne Kessel (mit Blume) nach einem ihrer Konzert mit einigen Komponisten der „250 Piano Pieces“. Mit dabei (von links): Nikolas Sideris, Sidney Corbett, Kai Schumacher, Jaap Cramer, Valentin Ruckebier, Christoph Theiler, Erik Janson, Lars Werdenberg, Albena Petrovic, Vincent Royer, Martin Christoph Redel und Klaus Runze.

Susanne Kessel (mit Blume) nach einem ihrer Konzert mit einigen Komponisten der „250 Piano Pieces“. Mit dabei (von links): Nikolas Sideris, Sidney Corbett, Kai Schumacher, Jaap Cramer, Valentin Ruckebier, Christoph Theiler, Erik Janson, Lars Werdenberg, Albena Petrovic, Vincent Royer, Martin Christoph Redel und Klaus Runze.

Foto: David Kremser

Es ist eine Herkulesaufgabe, die Susanne Kessel sich vor vier Jahren aufgebürdet hat, um Ludwig van Beethovens 250. Geburtstag zu feiern: Bis zum Ende des Jubiläumsjahres 2020, so der Plan, will die Bonner Pianistin 250 Klavierstücke, die sie bei ebenso vielen Komponisten rund um den Erdball in Auftrag gibt, gesammelt, verlegt und in Beethovens Geburtsstadt selbst am Klavier uraufgeführt haben. Keine Frage, es ist das bislang originellste Projekt fürs Jubiläumsjahr. Ermüdungserscheinungen sind bei der temperamentvollen Musikerin bislang noch nicht festzustellen, obwohl die Organisation des Projektes „250 piano pieces for Beethoven“ mehr als ein Fulltimejob ist, den sie aber sozusagen ehrenamtlich erledigt.

Gerade hat Susanne Kessel die Nr. 100 aus ihrem Briefkasten gefischt. Es ist ein Stück des Engländers Howard Blake mit dem Titel „Briedel Les Vaches 2017“, eine witzige Hommage an Beethovens Vertonung der „Ode an die Freude“. „Jetzt, wo die Sammlung dreistellig ist, bin ich schon ein bisschen erleichtert“, sagt sie bei einem Treffen und blickt auf die vor ihr auf dem Tisch liegende CD und die drei Notenbände, deren Druck über eine Notenpatenschaft der Bürger für Beethoven finanziert wird, und auf deren Titel ein Bild des Bonner Beethovendenkmals prangt. Mit jedem neuen Stück wird die Akquise leichter. Denn die Idee hat sich in der internationalen Komponistenszene herumgesprochen, und anfänglich artikulierte Zweifel, ob sich eine solch ambitionierte Werksammlung überhaupt realisieren lässt, sind weitgehend ausgeräumt.

„Ich bin mit jedem dieser Stücke tief verbunden“, beschreibt die 47-Jährige ihre Nähe zu den Klavierstücken. Für sie hat jedes Stück die gleiche Wertigkeit, ihren persönlichen Geschmack hat sie durch die intensive Beschäftigung zu neutralisieren gelernt. „Das ist wie ein Extremlehrgang in Sachen 'Offenheit' den verschiedenen Genres und Stilen der Musik gegenüber. Denn dadurch, dass ich die Stücke auch alle einübe, mit jedem Komponisten eng zusammenarbeite und mit allen Stücken wochenlang lebe, bevor ich sie in Konzerten uraufführe, habe ich im Lauf der Zeit eine viel größere Offenheit allen möglichen Stilen und Gedanken gegenüber entwickelt. Es sind enorm unterschiedliche Stücke und ganz individuelle Welten, die sich mir durch die intensive Beschäftigung öffnen und dann alle gleichermaßen ans Herz wachsen. Diese Grundhaltung konnte sich entwickeln, weil ich ja zwar die Komponisten auswähle, aber auf den Inhalt der Stücke selbst natürlich keinen Einfluss nehme. Sobald ich wieder neue Noten zugesandt bekomme, freue ich mich unendlich über das neue Werk. Es schiebt sich dann natürlich zusätzlich die pianistische Frage in den Vordergrund: Bis wann muss ich das können?“

Tatsächlich sind die Stücke ebenso unterschiedlich wie ihre Schöpfer. Da gibt es den geistreichen Neutöner Moritz Eggert, der dem Projekt ein Werk aus seinem „Hämmerklavier“-Zyklus gewidmet hat, oder den berühmten argentinischen Komponisten Edino Krieger, der in seinem Beethoven-Beitrag den brasilianischen Karneval mit der „Mondscheinsonate“ verknüpft, oder den Avantgardisten alter Schule, York Höller. Der renommierte Beethoven-Forscher William Kinderman hat sich ebenso mit einem Stück eingebracht die Komponistin Charlotte Seither. Der jüngste Komponist, Leander Ruprecht aus Düsseldorf, komponierte sein Stück mit 14 Jahren, der älteste, der Amerikaner William Kraft, mit fast 94.

Doch Kessel lädt nicht nur Komponisten der klassischen Szene ein, sondern versucht, das Feld so weit zu öffnen wie irgend möglich. Und so findet auch ein Stück von Harald Schmidts musikalischem Sidekick Helmut Zerlett ihren Weg auf Susanne Kessels Notenpult, wie auch die „Beethoveniana“ des US-amerikanischen Musikers Gershon Kingsley, der vor allem durch seinen Hit „Popcorn“ berühmt geworden ist. Besonders glücklich ist Susanne Kessel über den Beitrag von David Bowies Pianisten Mike Garson, der ihr die wunderbaren „Pathétique Variations“ geschrieben und (wie alle andern Komponisten des Projektes) zugeeignet hat. Sie sind im zweiten Band der Notenedition abgedruckt. Die Uraufführung durch Susanne Kessel kann man beim Onlineportal Vimeo anschauen: https://vimeo.com/157800201.

Susanne Kessel folgt bewusst keiner festgelegten Ästhetik. „Es sind ja Komponisten aller Genres dabei, Avantgarde, Pop, Jazz, Film und so weiter. Das Projekt ist eine Sondierung der zeitgenössischen Lage der Musik. Und der Gedanken der Komponisten 'über Beethoven'. Beethoven gehört heute zum musikalischen Background jedes Komponisten, weltweit. Wenn da ein bekannter Filmkomponist ist, lade ich diesen genauso ein wie einen berühmten Avantgardisten. Die Ergebnisse sind oft wirklich überraschend.“

Infos im Netz: 250-piano-pieces-for-beethoven.com. Am Samstag, 15. Juli, ab 14 Uhr, tritt Susanne Kessel beim Beethoven-Contdown der Bürger für Beethoven auf dem Marktplatz auf. Das nächste Konzert mit neuen Stücken des Zyklus findet am 30. September in der Post Tower Lounge statt.

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