Facetten von Gewalt gegen Frauen im Alltag Auf der Flucht

Hilflos liegt die weibliche Marionette mit den gespreizten Beinen am Boden. Voll Scham hat sie ihr Gesicht zur Seite gedreht. Der Spieler, der über sie verfügt, hat sein Führungskreuz mit den Fäden auf ihr abgelegt.

 Helen Escobedos eindrucksvolle Installation "61 Flüchtlinge" im Frauenmuseum.

Helen Escobedos eindrucksvolle Installation "61 Flüchtlinge" im Frauenmuseum.

Foto: Franz Fischer

Er wird wiederkommen und der Gliederpuppe erneut Gewalt antun. Das Exponat, das nun im Frauenmuseum zu sehen ist, stammt von der Brasilianerin Alessandra Guedes.

Und sie hat ihm den Satz jeder Frau beigegeben, die eheliche Gewalt überlebt hat: "Du fühlst Dich wie eine Marionette, völlig in der Hand einer anderen Person." Guedes arbeitete im Rahmen des Projekts "Die Dinge beim Namen nennen - Gewalt gegen Frauen im Alltag", zu dem die Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) 2002 aufgerufen hatte.

Und die hat nun die gesamte aus dem Projekt erwachsene Wanderausstellung zum Internationaler Tag zur Beendigung der Gewalt gegen Frauen dem Bonner Frauenmuseum als Schenkung übergeben.

"Dieses Thema verliert leider nicht an Aktualität", sagte Claudia Freudigmann, GIZ, bei der Vernissage. Die 64 Exponate mögen hier ihre Geschichte weitererzählen. Und das tun diese leicht veränderten Alltagsgegenstände auf erschreckende Weise. Die ellenlangen Stricknadeln von Juliane Osterhaus berichten von blutigen Abtreibungen: "Gewalt gegen Frauen ist, wenn der Bauch nicht mir gehört." Das Kabel des Telefons von Renate Augstein ist abgerissen.

"Du tust, was ich sage, Sonst wirst du mich von einer ganz anderen Seite kennenlernen", steht daneben. Ob die abgewetzte Ehepeitsche aus Äthiopien von Aida Bayou oder der noch extra überklebte Mundschutz von Volker Maaß: Dazugelegte Sätze wie "Die Macht der Männer ist das Schweigen der Frauen" lassen dem Betrachter das Blut gefrieren.

Und das nicht nur im Hinblick auf Frauenleid in den armen Ländern. Bürgermeisterin Angelika Kappel verwies auf 471 körperliche und sexuelle Gewalttaten gegen Bonner Frauen allein im Jahr 2014. "Unsere Frauenhäuser sind ständig überfüllt", erinnerte Kappel und wies auf örtliche Hilfen und Präventionsprojekte hin.

"Gewalt gegen Frauen hat viele Gesichter. Gerade Frauen auf der Flucht können sie erzählen", erinnerte Marianne Pitzen, die Direktorin des Frauenmuseums. In der zweiten bis März 2016 im Museum weilenden ausgezeichneten Fotoausstellung wird genau das auf erschütternde Weise klar.

Die World Bank Group, für die Luigi Laraia auch ein passendes Theaterstück in die Vernissage mitgebracht hatte, nennt sie: "1 von 3" - Was braucht es noch, um Dich wütend zu machen?": "1 von 3?" Eine von drei Frauen hat weltweit schon Gewalt erfahren. Da blickt in der Fotoserie von Marzieh Mohammadi eine junge Iranerin durch von Wassertropfen benetztes Glas - aus denen plötzlich Gitterstäbe wachsen. Da zeigt Hanifa Alizada das durch die Burka merkwürdige Liebesspiel des afghanischen Paars im Schattenriss. Da sucht sich die Ägypterin bei Marwa Adel wenigstens kleine Fluchten ihres durch dickes Sackleinen begrenzten Lebens.

Die Frau als mit rot glänzendem Band verpacktes Präsent entlarvt Farzaneh Mahmoodi aus dem Iran: Die Zuckerpuppe ist schließlich hoffnungslos im Geschenkband gefesselt. Und Boushra Almutawakel aus dem Yemen interpretiert die Stufen bis zur Ganzverschleierungals für Frauen entwürdigend: Zum Schluss ist vom anfangs lachenden Mutter-Tochter-Paar nebst Püppchen nichts mehr als eine pechschwarze Fläche zu sehen.

Frauenmuseum, Im Krausfeld 10; bis 8. März 2016. Öffnungszeiten: Di - Sa 14-18 Uhr, So 11-18 Uhr

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